The most AMAZEing Fest

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Spielen wie im Museum

Die Berlin Games Week ist rum und mit ihr eines meiner Lieblingsevents in der Spielebranche. Das AMaze Fest. Mehr als auf den meisten anderen Conventions wird hier das Spiel als Kunstform zelebriert und sich nicht groß drum geschert, ob das praktisch oder wirtschaftlich ist. Dieses Jahr zum ersten Mal im Berliner SEZ präsentieren sich Spiele hier nicht mit buntem, aufdringlichem Marketing, sondern eher wie Exponate im Museum.

Eines der Paradebeispiele dafür befand sich auch gleich am Anfang des Geländes. Kurz nachdem ich an der Kasse mein Ticket eingelöst und noch bevor mir die Securitys mein Bier abgenommen hatten. Da stand ein mit großen Augen dreinblickendes ca. 50 cm hohes Monster mit einer Haut aus bedrucktem Papier und einem Maul voller geschredderter Buchseiten. Links davon ein Bildschirm und ein Controller mit wenigen, dafür übergroßen Buttons. Keine Frage, dass ich mir das näher angucken musste.

Das ausgestellte Spiel war „The Book Ritual“ von Alistair Aitcheson. Neben den bereits oben beschriebenen Besonderheiten gehörten zu dem Spiel eine Vielzahl an Büchern, die auf und neben dem Tisch verteilt waren. Beim Start wird der Spieler aufgefordert, sich eines davon herauszusuchen. Bevor ich also das erste Spiel der AMaze anspielen konnte, musste ich das perfekte Buch für mich finden.

Nach gefühltem 5-minütigem Hin und Her legte ich schweren Herzens Shakespeares Romeo und Julia beiseite und entschied mich für ein Werk mit mehr Relevanz für mein Alltagsleben: „So you think you’re a Hipster?“ von Kara Simek und Paul Parker. Nachdem ich das für mich passende Buch auserwählt hatte, wurde ich auch gleich mit den beiden Hauptcharakteren des Spiels vertraut gemacht. Eben jenem Buch und dem zu Anfang beschriebenem Schredder-Monster. Und was sich zu Anfang noch wie eine gewöhnliche Visual Novel angefühlt hat, wurde durch einen einfachen Kniff zu etwas ganz Besonderem.

Das vom Spieler erwählte Buch glaubt, einmal ein Mensch gewesen zu sein, hat aber sämtliche Erinnerungen daran verloren. Um diese wieder herzustellen gilt es jetzt, das physische Buch zu verstümmeln. Das Papier-Schredder-Monster ist nämlich nicht einfach nur zur Deko da. Spieler werden immer wieder aufgefordert, Teile aus dem Buch zu reißen und zu schreddern. Manchmal soll auch ins Buch gemalt oder etwas hineingeschrieben werden. Nur um diese Seiten wiederum zu schreddern. So werden nach und nach die Erinnerungen des Buchs wiederhergestellt, während sein physisches Pendant zerstückelt wird.

Der Beweis, dass nicht nur ich daran Freude hatte, waren Berge an Papierstreifen, die sich am Ende des Tages um die Anspielstation auftürmten. Gleichzeitig ist es wohl auch der Grund, warum „The Book Ritual“ außerhalb von Events wie der AMaze wohl kaum jemand spielen wird. Es ist immerhin kaum abzusehen, dass ein USB-Aktenvernichter der Controller der nächsten Genration wird. Aber gerade das macht die AMaze zu etwas so Besonderem. Im Gegensatz zu großen Conventions wie der Gamescom, in der Hunderttausende Spieler kommende Blockbuster anspielen, findet man hier ganz besondere kleine Werke, die man wohl nie in den eigenen 4 Wänden genießen wird.

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Die Menschen hinter den Spielen

Ebenso besonders ist, wie nahbar die Menschen hinter den Spielen auf der AMaze sind. Ein großer Teil der Entwickler hinter den ausgestellten Werken ist tatsächlich vor Ort. Dabei sind diese nicht abgeschottet von den Massen in irgendwelchen Presseräumen. Stattdessen sind sie wie alle anderen Besucher auf dem Show Floor anzutreffen. So kommt man leicht mit Entwicklern in Kontakt und kann sich mit ihnen über ihre Projekte austauschen.

Eines dieser Projekte hat mich dieses Jahr ganz besonders beeindruckt: Enter Afrika. Eine Zusammenarbeit vom Goethe Institut und unterschiedlichen Entwicklern aus 15 Afrikanischen Ländern. Sie alle haben ein ortsbasierendes Spiel basierend auf ihrer Heimat gemacht. Motto des Projekts ist: Wie könnte die Zukunft deiner Stadt aussehen?

Die Spiele zielen darauf ab, Menschen mit den Städten zu verbinden, in denen sie leben. Die Zielgruppe sind somit also eher Einheimische. Dennoch fand ich es faszinierend, wie die einzelnen Teams Geschichten entwickelt haben, die speziell für ihre Stadt und ihre Kultur funktionieren. Einziger Nachteil für mich: Ich konnte keines der Spiele anspielen. Eine Reise nach Südafrika, Nigeria oder Ruanda hätte doch etwas den Rahmen gesprengt.

Daher lasse ich hier einfach jene zu Wort kommen, die selbst an dem Projekt mitgearbeitet haben und mir netterweise ein bisschen ihrer Zeit gewidmet haben.

Interviews

AMaze Interview mit Stefanie Kastner, Leiterin Information mit Regionalauftrag im Goethe Institut (Deutsch)
AMaze Interview mit Bethlehem Anteneh und Dagmawi Bedilu von Enter Afrika, Team Ethiopia (Englisch)

Was ich allerdings spielen konnte, war der Prototyp vom Enter Afrika Megagame. Einem Brettspiel, in dem Spieler um die Zukunft ihrer Königreiche streiten. Inspiriert vom traditionellen afrikanischen Brettspiel Mankala war es leicht zu erlernen und dennoch unglaublich komplex. So komplex, dass ich schon schnell hemmungslos verloren war. Allerdings ist das in meinem Fall auch nicht ungewöhnlich, wenn es um strategische Brettspiele geht.

Enter Afrika wird zur Gamescom wieder in Deutschland sein und wenn ihr dort seid, kann ich euch nur empfehlen, ihnen einen Besuch abzustatten.

Und damit habe ich gerade mal einen Bruchteil von dem abgedeckt, was die AMaze so fantastisch macht. Ich erhole mich zwar immer noch, aber freue mich zugleich auch schon wieder auf nächstes Jahr.


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