„Das grosse Lexikon der Computerspiele“ – Interview mit Christian Wirsig (Autor)

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Das Taschenbuch „Das grosse Lexikon der Computerspiele“ von Christian Wirsig bietet einen Gesamtüberblick über die Spiele, Firmen, Technik und die Macher von Archon bis Zork. Darüber hinaus wartet es mit vielen interessanten Details auf und kann so auch als Nachschlagewerk jederzeit nützliche Dienste leisten.

Das nun folgende Interview mit Christian Wirsig habe ich im August 2008 geführt, um den Mann hinter der Computer-Chronik ein wenig genauer kennen zu lernen.

Natürlich: Lexika gab es zu allen Zeiten. Aber wer ist schon so verrückt, einen Almanach über Videogames zu verfassen? Denn die Geschichte der Computerspiele wird täglich fortgeschrieben. Wie also behält man hier den Überblick?

Ganz einfach: Christian Wirsig hat das Gespür für das Wesentliche und dabei gut recherchiert. Der Inhalt des Buches ist alphabetisch geordnet. So findet man schnell, was einen interessiert. Dabei wird unter „G“ wie Galaga beispielsweise erklärt, dass Galaga eine typische Weiterentwicklung von Space Invaders ist und 1984 sowie 1987 Fortsetzungen dieses Arcade-Klassikers in die Spielhallen kamen. Außerdem beschränkt sich Christian Wirsig nicht nur auf Retrogames. Wichtige aktuelle Spiele und Firmen wie Valve werden ebenfalls aufgelistet. Eine konsequente Fortführung des Prinzips, das dem Lexikon zugrunde liegt.

Alles in allem wird so aus dem Buch ein wertvolles Kompendium, das auf dem Nachtschrank eines jeden Videospiel-Enthusiasten liegen sollte. Und wenn es auch nur darum geht in den Erinnerungen seiner Lieblinge zu schwelgen, bevor man nachts das Licht ausmacht.

Interview mit Christian Wirsig aus dem August 2008

Hallo Christian, Du hast Tontechnik studiert und in diesem Zusammenhang auch drei Jahre als Redakteur für die Musiker-Zeitschrift KEYS gearbeitet. Bei welcher Gelegenheit kamst Du zum ersten Mal mit Video- oder Computerspielen in Berührung?

Christian Wirsig. (Bild: Christian Wirsig)
Christian Wirsig. (Bild: Christian Wirsig)

Mit Computerspielen kam ich Mitte der 1980er Jahre in Berührung. Zunächst bei Freunden, die einen Commodore 64 (Veröffentlichung ab 1982) oder einen DOS-Rechner hatten. Etwas später waren dann bereits viele Freunde mit einem Amiga (Veröffentlichung ab 1987) ausgestattet und auch ich hatte meinen ersten Amiga 500 gegen Ende der 1980er Jahre zu Hause.

Welche Konsolen oder Heimcomputer hast Du damals besessen? Welches System war oder ist vielleicht noch heute Dein Favorit?

Ich selbst hatte nur Amigas, daher muss ich beim Favorit ganz subjektiv Amiga sagen. In meinem Freundeskreis war der Amiga einfach weit verbreitet (bis auf zwei standhafte Atari-User, mit denen wir uns aber trotzdem gut verstanden haben). Die Möglichkeiten, Grafiken und Musik zu machen, waren hier einfach sehr gut und ich kannte mich mit dem System gut aus. Daher ist der Amiga für mich natürlich auch heute noch der Favorit – aber ich mag auch die anderen Retro-Systeme.

Warum war der Amiga für Grafik und Musik besser geeignet als der Commodore 64? Das ist vor allen Dingen für unsere jüngeren Leser interessant.

Nun ja, der Amiga hatte einfach bereits die besseren technischen Möglichkeiten: mehr Farben, höhere Auflösung. Und damit bin ich halt vor allem aufgewachsen und habe selber damit gearbeitet.

Der C64 war natürlich für seine Zeit und die eingesetzte Technik ebenfalls spitze und hat damit den Weg für Amiga und Atari ST bereitet. Im Bereich der Musik konnte man mit dem SID-Soundchip des C64 auch schon ordentlich Songs komponieren, allerdings war es halt ein sehr roher, digitaler Sound. Der Soundchip des Amiga konnte Samples in besserer Qualität verarbeiten und war dadurch für alle musikalischen Bereiche offen. Er wurde ja neben dem Atari ST damals auch in vielen Studios eingesetzt.

Du hast auch eigene Demos und sogar Spiele entwickelt. Auf welchen Systemen liefen Deine Demos? Und welche Spiele wurden von Dir produziert?

Das Original des Puzzle-Games Blaxx mit der Musik von Christian wurde 1991 für den Atari ST veröffentlicht. (Bild: Christian Wirsig)
Das Original des Puzzle-Games Blaxx mit der Musik von Christian wurde 1991 für den Atari ST veröffentlicht. (Bild: Christian Wirsig)

Selbst programmiert habe ich nie – dazu kann ich einfach nicht mathematisch genug denken… Aber ich habe meist die Musik und einige Grafiken oder Ideen beigesteuert.

Unsere Demos liefen fast ausschließlich auf dem Amiga, wobei die beiden Atari-User auch hier einige Demos programmiert haben. Bei den Spielen sieht es im Grunde genauso aus: Einige unveröffentlichte Fragmente liegen noch auf alten Amiga-Festplatten rum, veröffentlicht wurde Blaxx (in einem Atari-Spiele-Heft), Weird Roam (ebenfalls Atari) und später dann das Spiel Amiga-Spiel Seaside, das Musik von mir enthält.

Blaxx wurde dann Ende der 1990er Jahre auch auf Windows portiert. Heute sind Songs und Sounds von mir in einigen Handyspielen wie Blaxx zu hören.

Warst Du seinerzeit eigentlich auch in der Demoszene aktiv?

Ja, allerdings war unsere Gruppe („Spirit On Disk“) nicht gerade bekannt. Wir haben ein paar Demos produziert und mit ein paar Spielen begonnen, wobei die leider nie ganz fertiggestellt wurden.

Bist Du auch mit anderen Computermusikern wie zum Beispiel Chris Hülsbeck oder Rob Hubbard persönlich in Berührung bekommen?

Damals war ich natürlich großer Fan der bekannten Computermusiker wie Chris Hülsbeck, Jochen Hippel und Rob Hubbard. Auch die Spielesoundtracks von Robert Whittacker haben mich immer sehr beeindruckt.

Während der Recherchen zum Lexikon hatte ich dann mit den meisten davon direkten Kontakt. Mit Chris Hülsbeck hatte ich schon mal früher ein Interview für KEYS gemacht.

Verrate uns doch bitte: welches Videospiel ist Dein „All Time Classic“?

Eigentlich ganz klar: Ich bin ein großer Fan von Giana Sisters. Das liegt wahrscheinlich daran, dass es eines der ersten Jump ’n‘ Runs ist, das ich gespielt habe. Weiter darf ich über die Frage gar nicht nachdenken, sonst wird das eine endlose Liste. Da wären dann Spiele drauf wie Speedball, Bubble Bobble, Pac-Man, The Kristal, Marble Madness usw.

Nun aber zu Deinem Buch: wann kam Dir die Idee zum Lexikon der Computerspiele? Und: warum wolltest Du eigentlich ein Lexikon über Computerspiele schreiben?

Die Idee kam mir im Sommer 2002 und dann habe ich recht schnell angefangen, Stoff zu sammeln. Ich habe mich immer schon für die Geschichte von Computerspielen interessiert und fand es recht faszinierend, wie lange es schon Entwicklungen in diesem Bereich gibt.

Und da ich im deutschsprachigen Raum kein wirklich umfassendes Buch gefunden habe, musste ich es einfach selbst schreiben. Ich dachte einfach, das würde andere auch interessieren und habe die Sammlung der Einträge begonnen.

Leseprobe aus Das grosse Lexikon der Computerspiele. (Bild: André Eymann)
Leseprobe aus Das grosse Lexikon der Computerspiele. (Bild: André Eymann)

Wie lang hast Du für das Buch recherchiert?

Das kann man schwer sagen, denn vieles wusste ich ja durch meine eigene aktive Spielerzeit. Die Hauptarbeit (Daten sammeln, Recherche, Schreiben und Korrekturen) hat aber etwa vier Monate komplett in Anspruch genommen.

Bekommst Du viele Reaktionen auf das Lexikon? In der Szene höre ich immer wieder, dass viele Retrogamer Dein Lexikon besitzen.

Die Leser melden sich schon auch immer wieder und geben Anregungen, die ich auch bei mir speichere und versuchen werde, sie in eine Neuauflage (wenn es denn eine geben wird) einfließen zu lassen.

Ein Lexikon ist natürlich niemals komplett. Dennoch: Können wir in Zukunft mit einem Update rechnen?

Derzeit fehlt mir leider die Zeit, das Lexikon zu aktualisieren, doch der Wunsch wird in mir immer stärker… Aber etwas anderes in diesem Bereich habe ich gerade in Arbeit: Etwa im September wird ein Kalender mit Spiele-Motiven erscheinen, den ich gerade gestalte.

Der Retro-Games 2008 wird 12 Spiele im DIN-A3-Format präsentieren, mit Screenshots, Abbildung der Box und jeweils einem kurzen Text zum Spiel. Der Kalender wird dann auf jeden Fall über meine Lexikon-Seite www.lexikon-der-computerspiele.de erhältlich sein.

Du schreibst seit Deiner Commodore Amiga-Zeit Musik für Computerspiele. An welchen Projekten arbeitest Du zurzeit und wie können wir von Neuigkeiten erfahren?

In die Computermusik bin ich 1989/1990 eingestiegen. Auf dem Amiga habe ich mich recht schnell in die Funktionsweise der üblichen Tracker eingefunden und dann viele Songs geschrieben.

Für Computerspiele habe ich schon länger keine Musik mehr gemacht – obwohl noch ein oder zwei Handyspiele mit Sounds von mir unveröffentlicht sind. Leider fehlt mir durch meinen Beruf oft die Zeit, aber ich mache hauptsächlich Musik für CD-Veröffentlichungen.

Die Ergebnisse kann man unter anderem auf meiner Label-Seite www.electric-heresy.com hören.

Christian, wie bedanken uns für das freundliche Interview und wünschen Dir weiterhin viel Erfolg mit Deinem Label.

Mediadaten zum Buch

  • „Das grosse Lexikon der Computerspiele“ ist 2003 im Verlag Schwarzkopf & Schwarzkopf für 8,80 DM erschienen. Es hat einen Umfang von 512 Seiten, ca. 6.000 Bildern und ca. 1.100 Stichwörtern.
  • Der Autor ist Christian Wirsig.
  • ISBN 13-Nummer: 978-3896025258.


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Eine Antwort zu „„Das grosse Lexikon der Computerspiele“ – Interview mit Christian Wirsig (Autor)“

  1. Avatar von ReneAchter
    ReneAchter

    Hab diese Buch auch und fand es interessant. Vieles weiß man natürlich schon als Retro-Fan, aber einiges war mir auch neu.

    Ich glaube eine Neuauflage brauch das Buch nicht, da die Masse der Spiele die in den letzten Jahren so zugenommen hat und man es nicht mehr in ein Buch zusammenfassen kann. Viele der interessantesten und bekanntesten Spiele der frühen Computerspiel-Ära sind darin bereits enthalten. Ohnehin scheint das Projekt auch eingestellt worden zu sein, denn die Domain ‚www.lexikon-der-computerspiele.de‘ steht zu verkauf…

    Vielleicht stellt uns Christian Wirsig die Daten zur Verfügung und machen daraus eine Online-Datenbank, die man auch selbst erweitern kann 🙂