Blood von Monolith – Mehr als nur ein Shooter

Avatar von André Eymann

Verglichen mit anderen DOS-Shootern seiner Ära bietet Blood vom ersten Moment an ein einzigartiges und wahrlich spukhaftes Erlebnis. Deshalb möchte ich in meinem Beitrag eher über die Atmosphäre des Spiels als über die Spielmechanik schreiben.

Von dunklen Göttern

„I live … again!“, lautet der erste Satz des Spiels, als ich im Level „Cradle to grave“ in meinem eigenen Grab erwache. Ich, Caleb, bin ein etwas vorgestriger Pistolero aus dem frühen 20. Jahrhundert, der auf Rache sinnt. Denn mein ehemaliger Meister Tchernobog hat mich in meinem vorherigen Leben betrogen. Und nein, Tchernobog hat nichts mit Chernobyl zu tun. Der Name bezieht sich auf eine slawische Gottheit aus dem 12. Jahrhundert, die als „schwarzer Gott“ übersetzt werden kann. Wer hier tiefer in die Materie einsteigen möchte, dem sei die Chronica Slavorum ans Herz gelegt, die vom deutschen Priester Helmold von Bosau in 1168-1169 verfasst wurde.

In der Story des Spiels hat Tchernobog den Kult der Cabal gegründet, zu dem auch ich einst gehörte, bis mein Meister mich eigenhändig umgebracht hat. Nun bekomme ich eine zweite Chance, meinen Peiniger für immer zu beseitigen.

Die Faszination von Blood fängt mich unmittelbar ein, als ich meinen ersten Gegner auf einem Friedhof mit nichts weiter als einer Mistkabel bekämpfen muss. Der Zauber hat begonnen. Ab diesem Moment gibt es kein Zurück zum Sonnenlicht. Ich spüre: Blood ist ein dunkles und blutiges Horrorspiel.

Ein Höllenspaß

Blood ist mit vielen Popkultur-Referenzen gespickt. Filme wie Tanz der Teufel, Return of the Living Dead, The Shining oder der Zauberer von Oz finden Erwähnung im Spiel. Ebenso finden sich Bezüge auf das Necronomicon, dem berühmten fiktiven Zauberbuch von H. P. Lovecraft. Texturen im Spiel zeigen Die drei Grazien von Raffael und die Anhänger des Cabal-Kultes sehen den in Roben gekleideten Kultisten aus dem spanischen Film Die Nacht der reitenden Leichen ähnlich.

Nun gibt es aber keinen Grund zu glauben, dass Blood keinen Humor hätte. Im Gegenteil: unser Protagonist gibt immer wieder lustige Zitate bekannter Popsongs verschiedener Epochen zum Besten. Darunter “I did it my way” von Frank Sinatra oder “If you want my body and you think I’m sexy” von Rod Stewart.

Was aber genau macht Blood so einzigartig? Andere Spiele zu dieser Zeit wie Doom oder Duke Nukem 3D sehen optisch ähnlich gut aus und basieren auf vergleichbaren Engines. Die Antwort auf das Geheimnis von Blood kann man in einem Wort zusammenfassen: Atmosphäre!

Ich habe selten einen frühen Ego-Shooter gespielt, der sich so sehr um den Ortssinn (sense of place) kümmert und mich so sehr in seine Welt hineinzieht. Im Laufe der Geschichte kämpfe ich mich durch verlassene Bahnhöfe, einen unheimlichen Zirkus, ein Sägewerk, eine gespenstische Kathedrale und viele andere schaurige Orte. Dabei sind alle Level mit viel Details ausgestaltet und spielen sich flüssig und fehlerfrei.

Die Geschichte von Blood findet im Jahr 1928 statt. Gleichwohl finde ich im Spiel Architekturen aus dem Viktorianischen oder dem Zeitalter Eduards des VII. Die Waffen im Spiel passen perfekt zur Spielwelt. Neben den bereits erwähnten Mistgabeln oder Signalpistolen kann ich die Gegner mit Schrotflinten bekämpfen, mit Minen in die Luft jagen oder mit explodierenden Dynamitstangen bewerfen. Meine Lieblingswaffe ist allerdings die Voodoo-Puppe, mit der ich Widersacher durch Nadelstiche verletzen kann. Was für eine kultige Idee.

Marana malax!

Blood wurde mit einem großartigen MIDI-Soundtrack ausgestattet, der von Daniel Bernstein eigens für das Spiel komponiert wurde. Die Musik hat einen wesentlichen Einfluss auf die Spielstimmung und die nervenaufreibende Wahrnehmung der Spielwelt.

Noch nervenaufreibender ist die Sprache „Domus Durbentia“ und die umgesetzte Sprachausgabe der Gegner im Spiel, die ebenfalls von Bernstein entwickelt wurde. Sie basiert auf Latein, Französisch und Sanskrit. Dabei werden Worte und Verben so kombiniert, dass sie wie eine „Sprache aus der alten und dunklen Zeit“ klingen.

Hier ein paar Beispiele:

  • crudux cruo (Fresh blood)
  • pestis cruento (Blessed)
  • bhuudesco invisuu (To become hate)

Diese und viele ähnliche Phrasen sind in allen Episoden von Blood zu hören. Und glaube mir: wenn du zum ersten Mal die Priester „marana malax!” kreischen hörst, wird dir das Blut in den Adern gefrieren und du wirst diese Worte nie wieder vergessen!

Zusätzlich zum großartigen Single-Player-Erlebnis bietet Blood einen beeindruckenden Multiplayer-Modus. Ich bin mir sicher, dass es das Netzwerkspiel ist, das ich in den 1990ern am häufigsten gespielt haben. Mehr noch als Doom. Mein bester Buddy und ich haben Monate damit verbracht uns auf den Maps von Blood zur Strecke zu bringen. Immer kommentiert von „The Voice“, der Stimme im Spiel, die von keinem anderen als Jason Hall, dem Gründer von Monolith, stammt.

Fazit

Blood ist ein sehr originelles Spiel mit einem einzigartigen Setting. Man könnte es auch als Panoptikum bezeichnen, in dem wir vielen skurrilen Situationen begegnen. Dabei macht genau das seinen Charme aus. Das Frühwerk von Monolith punktet als künstlerisches Gesamtpaket auf vielen Ebenen und ist aus meiner Sicht bis heute unerreicht. Du hast es wahrscheinlich schon gemerkt: es fällt mir nicht leicht, das Spiel zu kritisieren. Es hat mich vom ersten Moment an überzeugt. Falls Du es nicht kennst, schau es dir doch einmal an und lasse dich in die Welt der Cabal entführen. Dann heißt es auch für dich: „I live … again!“

Kennst du Blood? Hast du es vielleicht auch gespielt? Ich würde mich sehr über deine Meinung oder Anmerkungen in den Kommentaren freuen!

Bildergalerie

The sound of Blood. Übersicht der im Spiel verwendeten Worte und Verben. (Bild: André Eymann)
The sound of Blood. Übersicht der im Spiel verwendeten Worte und Verben. (Bild: André Eymann)

Video (Gameplay)

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Dieser Text erschien zuerst am 25.05.2015 bei Games Nostalgia. Er liegt außerdem hier im Blog (in englischer Sprache) vor.

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Avatar von André Eymann

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16 Antworten zu „Blood von Monolith – Mehr als nur ein Shooter“

  1. Avatar von Jessica Kathmann

    Lieber André,

    Blood war mir bis zu deinem Beitrag gerade tatsächlich kein Begriff. Mich hat besonders beeindruckt, wie viele popkulturelle und historisch-mythische Referenzen du erwähnst. Dir gelingt es auch sehr gut, die Atmosphäre des Spiels in deinen Worten „rüberzubringen“, soweit ich das nach dem Schauen des eingebetteten Gameplay-Videos zu sagen vermag.

    Also vielen Dank, ich habe das Gefühl, eine Bildungslücke zumindest ein bisschen geschlossen zu haben. 🙂

    LG,
    Jessica

    André Eymann
    1. Avatar von André Eymann

      Kann mir gut vorstellen, dass Blood bisher an dir vorbeigegangen ist 😉 Ist ja auch schon ziemlich alt und dann auch noch eher eine „Nischentitel“. Das Spiel ist ein gutes Beispiel dafür, wieviel Liebe Entwickler in ein Spiel stecken können. Wenn man die ganzen Einzelteile zusammenrechnet, kommt wirklich eine Menge auf die Waage. Eine eigene Sprache, die Musik, das Setting, die ausgefallenen Ideen, Coop, Multiplayer, das vollkommen eigenständige Artwork, Story usw. usw.

      Bei der Entwicklung von Blood wäre ich nur zu gern dabei gewesen. Monolith (oder auch id Software oder 3D Realms) haben ganz sicher eine Menge Spaß bei der Entwicklung ihrer Spiele gehabt. Wie hätte es sonst zu so abgefahrenen Ideen kommen sollen?

      In diesem Kontext möchte ich dir noch ein Video an die Hand geben. Im Video „A Visit to id Software (November 1993)“ bekommst du einen Flashback, der zeigt, wie die Stimmung damals war. Sehr sehenswert! Ich würde mich über dein Feedback dazu freuen 🙂

      https://www.youtube.com/watch?v=HpEBUV_g9vU

  2. Avatar von André Eymann

    Ich habe gerade noch ein (nicht so ernst gemeintes und eher lustiges) Video vom 02.10.2009 gefunden, das ergänzend gut in die Kommentare passt

    „Monolith Games on The Jace Hall Show“: https://youtu.be/s2eTJiinFB0

  3. Avatar von journey21ß
    journey21ß

    Vergesst den coop nicht. Zu dritt durch das ganze Game und dann mit Teslas im Anschlag vor dem Endboss zu stehen hatte was.

    1. Avatar von André Eymann

      Wie recht du hast. Der Coop ist natürlich großartig und mit dem besten Buddy gemeinsam durch die Maps zu kämpfen ein einmaliges Erlebnis! Darauf hätte ich in der Tat im Text eingehen sollen. Jetzt wo du es erwähnt hast kommen auch gleich wieder unzählige Erinnerungen hoch. Und die Gewissheit das wir Blood auf jeden Fall noch viel mehr als Doom Coop gespielt haben.

      Wobei sich an diese Erinnerungen auch noch einmal die vielen Multiplayer-Deathmatches anschliessen. Legendär, der „Life Leech“ (Stock mit dem Totenschädel) der den Gegner mit Feuer in Grund und Boden brennt. Oh mein Gott hatten wir herrliche Matches mit Blood!

      1. Avatar von CzarnyBot
        CzarnyBot

        Guten Abend 🙂
        Ich bin ein Blood Sammler & Administrator einer Fanseite, welche sich mit denn Spiel befasst. Unsere Community ist davon ausgegangen, dass der Soundtrack nicht offiziell veröffentlicht worden ist. Was hat es mit „Sound of Blood“ auf sich ?
        Handelt es sich, um ein offizielles Release oder um einen Bootleg ?

        Und könntest du mir bitte bitte Fotos davon zukommen lassen also vom Front, Backcover und von der CD ?

        1. Avatar von André Eymann

          Von welcher Fanseite bist du denn der Administrator? Bei „Sound of Blood“ handelt es sich nicht um ein offizielles Release, sondern um eine selbstgebrannte Audio-CD von mir, auf der ich ausgewählte Musikstücke von Blood gespeichert habe. Auf das Inlay habe ich Auszüge der “Domus Durbentia” gedruckt, weil mich die Sprache im Spiel beeindruckt hat. Ein Frontcover hat meine CD natürlich auch 😉

          Lieben Dank für deinen Kommentar.

  4. Avatar von YesterPlay

    Ich habe es in der englischsprachigen Variante Deines Beitrags schonmal angemerkt, es soll aber auch hier nicht unerwähnt bleiben: „Blood“ hat auch einen Redbook-Audio-Soudtrack, der in Sachen Atmosphäre nochmal eine Schippe drauflegt. Auf jeden Fall reinhören/benutzen!

    Wir haben früher gerne Blood 2 auf LAN-Parties gespielt. Mit dem Addon „The Nightmare Levels“ kam eine neue Waffe ins Spiel, die immer für massig Erheiterung gesorgt hat: Der Flayer, ein teleportierender Haken an einer Kette,

    1. Avatar von André Eymann

      Danke für die erneute Erwähnung Michele! Der normale Soundtrack hat sich bereits in meine DNA eingebrannt und bleibt unvergessen. Ich habe mir damals eine Audio-CD gebrannt, die ich oft im Auto gehört habe. Bei den Musikstücken kamen die passenden Erinnerungen an die Karten und MP-Matches sofort zurück.

  5. Avatar von Farmer Slide Joe Bob

    Eines der interessantesten Reviews, die ich hier gelesen habe.Mir war das Game sehr sehr viele Jahre bis 2006 oder so total unbekannt.Und so richtig kennen bis auf einige Videos tue ich es nicht, jedoch macht das Beschriebene einfach Neugier auf das Game.Ich kenne nur die Saturnumsetzung aus Videos, aber irgendwie hatte mir das Setting und die Stimmung doch zugesagt.Zu Monolith, habe ich grad mal das erste F.E.A.R als Demo rauf und runtergespielt wegem der Zeitlupen Funktion und guter KI. Am positivsten ist mir aber No One Lives Forever 2 in Erinnerung von dieser Firma geblieben, welche ich auf einer Computer Bild Spiele DVD instaliert hatte und ich auch diese Mischung aus Erkunden,Puzzlen, Shooten, Snowspeeder Levels, crazy Charaktere und der Humor mir sogar zusagte, auch in der deutschen Fassung, die selbst trotz Schnitte anders gut Spielbar ist.Ebenso erwähnen möchte ich das echt kuhl abgespaceste Tron 2.0 von Monolith und das meiner Ansicht nach letzte gute Spiel von dennen das erste Condemned, was Stimmung, Brutalität aber auch die Story, trotz nur gespielter Demo, sehr spannend fand. Ich weiss nur nicht ob Monolith immernoch was Entwicklungstechnisch was macht.Amsonsten sehr sehr gute Review, würde mich interessieren, wie sich Blood I & II voneinander unterscheiden 🙂

    1. Avatar von André Eymann

      Hui, danke für die Blumen! Ich kann dir das Game nur sehr ans Herz legen. Insbesondere wenn du auf gory und dunkle Spiele stehst. Blood ist wirklich wie ein Panoptikum; ganz voller herrlich schräger Ideen. Es wird bestimmt gefallen, auch wenn es natürlich technisch nicht mehr ganz state of the art ist.

      Condemned habe ich damals auch angespielt und möchte es unbedingt noch einmal angehen. Die Stimmung und Atmosphäre hat mich damals sehr begeistert. Auch Condemned hatte das „besondere“ etwas, dass nur wenige Spiele haben. Gruselig, verstörend und dennoch faszinierend.

      Zu Blood II: The Chosen kann ich leider nichts schreiben, weil es ich nie gespielt habe. Vielleicht findet sich aber noch ein passender Kommentar dazu.

      In jedem Fall: vielen lieben Dank für deine Zeilen!

  6. Avatar von Christian Wöhler

    Blood habe ich neben anderen 3D-Ego-Shootern seiner Zeit auch gespielt. Ich bin mir jedoch nicht mehr ganz sicher, ob es nicht auch auf dem Index war. Der Blutgehalt war damals schon recht hoch.
    Vielen Dank für den Rückblick.
    Zur Zeit spiele ich Doom64 auf dem PC.

    1. Avatar von André Eymann

      Ich bin mir gerade nicht sicher, ob Blood indiziert war oder ist. Ich glaube mich aber zu erinnern, dass der zweite Teil: Blood II: The Chosen noch auf dem Index steht. Da müsste man mal nachschauen.

      Es freut mich, dass du es auch gespielt hast. Den Singleplayer oder eher Multiplayer?

      1. Avatar von Christian Wöhler

        Ich habe nur den Singleplayer gespielt. Auf Lan Partys war eher Hexen und Heretic angesagt. Später dann Battlefield 1942 und Vietnam

        1. Avatar von André Eymann

          Okay. Der Singleplayer ist bei Blood auch wirklich sehr gut. Ich habe ihn jedenfalls mehrfach durchgespielt und habe das Gefühl ich mache es bald noch einmal 😉 Bei unter 10 Euro bei GOG kann man nicht viel verkehrt machen.

          Hexen und Heretic wäre eine eigene Betrachtung wert. Beides Spiele, die ich ebenfalls sehr mag.

          1. Avatar von Christian Wöhler

            Ich bin schon mit Steam überfordert….. sooooo viele Games 🙂