„Besser lernen durch spielen“ – Interview mit Thomas Kunze (Games Institute Austria)

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Interview vom 30. September 2018

Hallo Thomas, Du bist geistiger Vater und Gründer des Games Institute Austria, kurz GIA. Auf eurer Webseite bringst Du eure Vision auf den Punkt: „Warum spiele ich Videospiele, anstatt für die Universität zu lernen?“ und „Warum machen Spiele einen so guten Job, während klassische Lernprozesse oft weniger effektiv sind?“ GIA hat sich – nach dieser Erkenntnis – den Themen „Game Based Learning“ und „Games in education“ verschrieben und arbeitet seit 2015 an der Vision spielerischer zu lernen. Wenn Du auf die letzten drei Jahre zurückblickst, welche Meilensteine hat GIA seit der Gründung bereits erreicht?

Thomas Kunze ist Gründer des „Games Institute Austria“, kurz GIA (Bild: mrFoto.at)
Thomas Kunze ist Gründer des „Games Institute Austria“, kurz GIA (Bild: mrFoto.at)

Thomas Kunze: wir konnten in Zusammenarbeit mit Universitäten Lehrerinnen und Lehrern ermöglichen, Digital Game Based Learning kennen zu lernen und auszuprobieren. Zudem haben wir spielerisches Lernen im Ausbildungs- und Fortbildungskontext etablieren können. Und wir arbeiten mit Unternehmen zusammen, um Prozesse oder digitale Werkzeuge spielerischer zu gestalten. Vor kurzem haben wir eine Kooperation mit Teachergaming abgeschlossen, die eine All-in-one Plattform mit über 40 Spielen für Klassenzimmer anbieten und unser neuestes Projekt heißt Games for Good, bei dem wir Lernmaterialien zu kommerziellen Spielen entwickeln, die nicht nur in Schulen zum Einsatz kommen sollen, sondern insbesondere zu Hause und Gamerinnen und Eltern ansprechen sollen.

Den Bildungsbereich von einem „Besser lernen durch spielen“ zu überzeugen ist sicher ein dickes Brett. Mit welchen Rezepten versucht ihr die konventionellen Ansichten aufzubrechen und weiterzuentwickeln?

Naja, es wird ja zum Glück immer deutlicher, dass sich im Bildungssystem etwas verändern muss. Die Digitalisierung kommt langsam überall an und die Forderungen, dass sich inhaltlich und methodisch
etwas verändern muss, werden immer lauter. Unternehmen fordern bessere Kompetenzen bei Lehrlingen und 21st Century Skills und soft skills rücken mehr und mehr in den Fokus.

Wir leisten dennoch seit Jahren Aufklärungsarbeit, tragen vor, zeigen auf und laden ein, spielerisches Lernen auszuprobieren. Das wird immer beliebter und seit circa einem Jahr scheint sich grundsätzlich etwas zu verändern, denn zumindest außerhalb des klassischen Bildungsbetriebs spitzen plötzlich alle die Ohren, was es mit diesem ‚neuen‘ Ansatz auf sich hat. Auch wenn natürlich klar ist, dass spielerisches und nachahmendes Lernen die grundlegende Form allen Lernens darstellt und weitaus älter ist als der humanistische Bildungsansatz, den unsere Schulen seit 200 Jahren verfolgen.

Im Rahmen unserer Arbeit mussten wir allerdings schon feststellen, dass es eine ganze Reihe an Hürden gibt, die es der potenziell interessierten Lehrerin erschwert oder praktisch unmöglich macht, Computerspiele in dem Unterricht zu integrieren. Die Infrastruktur und die technische Ausstattung sind das eine, aber dann braucht es noch die Qualifikation der Lehrerinnen und schließlich noch einen Kurator, der entsprechende Spiele für die spezifische Unterrichtssituation empfiehlt. Wenn all dies gewährleistet ist, dann brauchen Trainerinnen, Lehrerinnen und Gamer Handreichungen und Materialien, um Spiele angemessen in einen Lernkontext einbetten zu können. Dafür haben wir unser neues Projekt Games for Good ins Leben gerufen. So können wir alles anbieten, was benötigt wird, um kommerziell erfolgreiche Spiele auch im Lern- und Trainingskontext gewinnbringend einzusetzen.

Wie kann ich mir euer Angebot „We make tools more playful” in der Praxis vorstellen? Mit welchen Werkzeugen setzt ihr an?

Dabei geht es vor allem um (digitale) Lern- und Kommunikationswerkzeuge. Viele E-Learning Werkzeuge haben Nachholbedarf, wenn es um die Motivation der Lernerinnen und die Nachhaltigkeit des Lernens mit diesen Werkzeugen geht. Moocs sind das klassische Beispiel dafür, die Abschlussraten der TeilnehmerInnen sind oft sehr niedrig, liegen zum Teil nur bei ein oder zwei Prozent. Da hilft es sehr, das Programm in einen spielerischen Rahmen einzubetten oder Spielelemente in die Plattform zu integrieren, um die Motivation zu steigern und das Engagement zu erhöhen. Ein spielerischer Umgang mit Wissensplattformen oder Lernprogrammen kann auch dazu führen, dass das Erlernte besser haften bleibt und die Behaltensleistung gesteigert wird.

Im Bereich der Kommunikation sind Spiele auch interessant. Um einmal zwei große Beispiele zu nennen, die aber durchaus auch im kleinen funktionieren können: Es gibt Projekte, in denen Minecraft verwendet wird, um die Stadtentwicklung gemeinsam mit den Bewohnern zu thematisieren, oder es werden Simulationen verwendet, wie Cities: Skylines um Infrastrukturentwicklung darzustellen.

Spiele haben großes Potenzial für politische Kommunikation, Marketing oder partizipative Projekte. Sie wurden als politische Werbung im koreanischen Wahlkampf eingesetzt, Red Bull nutzt sie als neuestes Imagetool oder sie kommen zum Einsatz bei Citizen Science Projekten.

play@learn//experts interaktive Vortragsreihe an der Pädagogischen Hochschule Wien, Thema escape rooms im Klassenzimmer (Bild: Thomas Kunze)
play@learn//experts interaktive Vortragsreihe an der Pädagogischen Hochschule Wien, Thema escape rooms im Klassenzimmer (Bild: Thomas Kunze)

Sicher braucht auch ihr Unterstützung. Mit welchen Partnern arbeitet ihr zusammen, um eure Ziele zu erreichen?

Wir haben inzwischen viele Partner aus unterschiedlichen Bereichen, neben International Schools, Universitäten und Institutionen im Bereich der Erwachsenenbildung sind da vor allem Unternehmensberater zu nennen, die unsere Produkte und Zugänge sehr spannend finden. Die Designthinkers Austria wären da genauso zu nennen wie Kaiflow in London.

Dazu kommen noch die bereits erwähnten Teachergaming oder eben verschiedene Publisher und Spieleentwickler Studios. Da hier die Verhandlungen aber noch laufen, darf ich noch keine expliziten Studios oder Spieletitel nennen. Vielleicht nur so viel, es sind namhafte Titel und Publisher dabei. Wir hoffen bald mehr verraten zu dürfen.

Welche Rolle spielt der 2017 von euch gegründete Verein „Spielmacher“ im Kontext des GIA?

Der Verein ist aus zwei Gründen entstanden. Einerseits kann man an gewissen Projektausschreibungen wie bsp. den Erasmus-Projekten als Firma nicht teilnehmen. Wir sind gerade beteiligt an einem Projekt namens Game Based Training, das europäische Institutionen der Erwachsenenbildung zusammenbringt um europaweit berufliche Fortbildungen durch spielerische Maßnahmen zu bereichern. Wir sind als Facilitatoren dabei und das geht eben nur über die Organisationsform eines Vereins.

Zum zweiten und noch wichtiger ist die Tatsache, dass der Verein gleich gesinnte Spiele Aficionados zusammen bringt, um zu spielen, zu planen und zu netzwerken. Dazu dient natürlich auch unsere
Facebook Gruppe Games Institute Austria – Play to Learn, aber mit dem Verein schaffen wir auch einen physischen Ort, an dem man sich treffen kann. Trotzdem besteht auch die Möglichkeit virtuell an unseren Treffen teilzunehmen, so weit das Sinn macht und man eben keine Gelegenheit hat nach Wien zu kommen.

Hat sich in der Gesellschaft aus Deiner persönlichen Sicht in den letzten Jahren mehr für Videospiele geöffnet? Wo gibt es noch immer Vorbehalte?

Die Antwort ist ein eindeutiges Ja. Wir sind noch nicht ganz da angekommen, wo es hingehen sollte, aber große Schritte sind getan. Es ist spannend zu sehen, wie viele Lehrerinnen und Lehrer tatsächlich bereits Gamer sind, es gibt nur keine Gelegenheit dies zu diskutieren oder überhaupt herauszufinden. Statistiken besagen, dass 42% der Bevölkerung in Deutschland regelmäßig Computerspiele spielen und der durchschnittliche Spieler 38 Jahre ist. Ich kann bestätigen, dass das in Schulen und Universitäten genauso ist. Es wird nur viel weniger darüber geredet, denn das passt ja irgendwie nicht in die Wahrnehmung des typischen Lehrers oder Akademikers.

Was können wir als Gesellschaft grundsätzlich von Computerspielen lernen?

MIT Computerspielen können wir als Gesellschaft praktisch alles lernen, insbesondere was sonst so schwierig zu vermitteln ist wie Empathie, effektive situationsangemessene Kommunikation oder das Begreifen komplexer Systeme, oder gar Frustrationstoleranz und Flexibilität und Kreativität im Umgang mit komplexen Problemen geht nirgends so gut wie in Computerspielen. Was wir VON Computerspielen lernen können, von mutigen Indie-Entwicklern und von der Computerspielkultur im allgemeinen, ist mutig schwierige Themen anzugehen, die Gelegenheit zu bieten, in die Schuhe eines anderen zu schlüpfen oder wirklich inklusiv, ohne Diskriminierung und Ausgrenzung jedweder Art eine gemeinsame Kultur zu leben, in der jeder gleichberechtigt Spielerin und Spieler sein darf.

Du bist selbst ein enthusiastischer Gamer. Welche drei Videospiele haben Dich bisher am meisten begeistert und warum?

Solche Fragen habe ich noch nie leiden können; geschweige denn gut beantworten. Begeistert haben mich viele Spiele, manche obwohl ich sie selbst gar nicht gespielt habe. Ich war auch immer leidenschaftlicher Zuseher und Fachsimpler. Sehr wichtig waren zum Beispiel für mich das ursprüngliche Sim City, das hab ich wirklich ewig gespielt. Ein echter Meilenstein war für mich auch TES III, Morrowind. Und schließlich, weil sie auf viel zu wenigen Listen erscheinen meiner Meinung nach Total Annihilation und Jagged Alliance. Ich weiß, das sind vier, aber so gehört sich das doch für die Top 3, oder?

Vielen Dank Thomas für Deinen Einblick in eure Arbeit und weiterhin viel Erfolg!


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