Als Ladebilder die Welt beherrschten

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Der erste Eindruck zählt, auch für jenen Haufen Pixel, der Konamis Green Beret andeutet. Oder seinen Kollegen, Carolco Pictures‘ John Rambo: „Wahnsinnsgrafik“, so der 80er-Core Gamer im ersten und zweiten Reflex. Gedanken über das Zeitalter der Ladeschirme.

Der Ladeprozess ist ein funktionaler Vorgang auf einer Zeitachse, die je nach Ära, Plattform und Programm einer entsprechenden horizontalen Ausdehnung unterworfen ist. Anstatt den Ladeprozess hinzunehmen, nutzen Entwickler diesen Moment, um Spieler zu unterhalten, zu informieren, zu begeistern – oder zu enttäuschen.

Pixel-Galerie

Nicht umsonst spendiert die Power Play in der Rubrik „Pixelpracht“ auf einer wertvollen Doppelseite jedes Monat Ladeschirme aktueller Veröffentlichungen. Diese bildschirmfüllenden Grafiken, mit Herstellerlogo und Künstlerkürzel verziert, waren immer wieder umwerfend.

Pixellierung, die binäre Vereinfachung realer Wahrnehmung, zieht natürlich an. Denn was für uns ein bewusst wahrgenommener Augenblick ist, bedeutet für unsere Psychologie pure Imagination: In einem Bruchteil einer Sekunde machen wir uns ein „Bild” dargebotener Reize, das alle folgende Handlungen und Meinungen beeinflussen wird. Wir sind ab jetzt „eingestellt“.

Diese „Einstellung“ macht sich die Kunst der Vermarktung seit tausenden von Jahren zu Nutze, um potentielle Käufer anzuziehen, zu begeistern und langfristig Sympathie für das beworbene Produkt zu schaffen. Steven Wahids Interpretation John Rambos alias Sylvester Stallone verwandelt sich zu gediegenem 8-Bit Photorealismus, der sogleich das Spielgeschehen begleitet.

Natürlich ist Ocean Softwares Rambo – First Blood Part II alles andere als realistisch, kubistisch möchte man nach heutigen Standards eigentlich sagen. Pixel zappeln also an Rambos Hüfte, dass es der Vier-Pixel-Patronengürtel mit der Angst zu tun kriegt. Dem Spieler fällt das 1985 nicht auf, hat der Ladeschirm den „echten” Sly ohnehin assoziativ ins RAM gezaubert.

Eigentlich braucht es moderne Grafikkarten nicht: entsprechend detailliert durch einen Ladeschirm eingestellt, nimmt der Spieler die Rambo-Figur nicht bewusst als putzigen Pixelhaufen in Oceans Filmkonvertierung wahr.
Eigentlich braucht es moderne Grafikkarten nicht: entsprechend detailliert durch einen Ladeschirm eingestellt, nimmt der Spieler die Rambo-Figur nicht bewusst als putzigen Pixelhaufen in Oceans Filmkonvertierung wahr.

Bunt

Szenenwechsel – frech steigt der gewitzte Mikie aus dem Bildschirm heraus, ein tobender Küchenchef der Schulkantine dicht auf den Fersen. Das Spiel selbst gibt sich grob gerastert wenn auch bunt, aber jeder noch so tiefer Blick offenbart keine weiteren Details. Kurz vor der herben Enttäuschung schaltet sich das Amygdala im fleißigen Kopf des Spielers ein und füllt die Farbklekse mit feinsten Rundungen und Schattierungen aus, wie es auch durch die „rosarote Brille” eben passiert.

Monochrom

Als der gute Kohlekumpel Monty Mole einem britischen Gefängnis entflieht, auf dem Weg ins rettende Spanien, identifiziert jeder Spieler den knuffigen Erdreichbuddler mit roter Nase und blauer Jumpsuit auf dem 8bit-Ladescreen. Kaum fertig geladen, leuchten auf dem Schirm bunte Pixel monochromer Figuren und Strukturen – Monty gar ganz arg weiß. Das Ladebild lässt derlei Defizite erst gar nicht den Computerspieler erreichen, hat es bereits firm etabliert das Comic-Thema Monty Moles.

Animiert

Oder gerade vom Nachmittagsturnen zurückgekehrt: Sprachlos klatscht der Beutel mit der strapazierten Sportkluft zu Boden, denn läuft nicht gerade eine Folge von G.I. JOE im Fernsehen? Knackige Rhythmen begleiten einen Transportkonvoi auf dem Weg in die nächste Mission. Und Du spielst mit! Schon reißt das Familienmitglied den kurzlebigen Quickshot II herum, bringt Duke in Deckung als Storm Shadow mit einem beherzten Angriff ansetzt. Die feinen Epyx-Entwickler wie Grafiker Michael Kosaka machen es möglich. Auch wenn ohne Zweifel Computergrafik und nicht Animation Cels zu sehen sind, erstaunt die Zeichentrickumsetzung mit seiner liebevollen Ausgestaltung der Serienhelden und Bösewichte. Die Ladeschirme zu Beginn und während des Spielverlaufs verschmelzen stets Realspiel und imaginative Realität.

Doch die Nutzbarmachung der Ladezeiten überragt den wohl wesentlichsten Aspekt, Ladeprozesse waren Vorboten ungeahnter Spielerlebnisse.

Epyx´ GI Joe, ein sogenanntes “Activity Toy”, eine digitale Manifestation der Spielerfahrung mit Aktionsfiguren, beeindruckt mit animierten Ladeschirmen während das nächste Spielfeld in den Speicher gelesen wird.
Epyx´ GI Joe, ein sogenanntes “Activity Toy”, eine digitale Manifestation der Spielerfahrung mit Aktionsfiguren, beeindruckt mit animierten Ladeschirmen während das nächste Spielfeld in den Speicher gelesen wird.

Blick in die Zukunft

Früh antizipieren Loading Screens nämlich die Zukunft: Der schreiende Karateka schlägt förmlich aus dem Fist II – The Legend Continues Ladebild heraus, Angesicht in Angesicht mit dem Joystick-Sportler.

Mitten im Geschehen erhellt Hoffnarr Jolly Jack mit der titelgebenden Black Lamp einen grünen Drachen, den Antagonisten des bunten Action-Adventures, aus der Ego-Perspektive.

Imagines Renegade-Konvertierung lädt (ein) mit einer intensiven Straßenkampfszene, der Held umringt von einer schwer bewaffneten Straßengang, der Spieler reduziert zum eingeschüchterten Betrachter auf Augenhöhe.

Sehnsucht nach Dreidimensionalität

Signifikant an dieser Stelle Koronis Rift: der Ladeschirm verspricht gesunden Science Fiction Rabatz auf einer genretypischen Planetenoberfläche. Dabei soll sich der Spieler bewusst an Irems Moon Patrol erinnern, einen flachen Sidescroller: als das Spiel selbst mit einer In-Game Ego-Perspektive überwältigt, blinzelt kurz die Zukunft der elektronischen Unterhaltungsindustrie. Die Spielegrafik nähert sich dem Titelbild an, der kognitive Aufwand, die Spieldarstellung zu verarbeiten reduziert sich sprunghaft, das Spiel wird quasi leibhaftige Realität – wenn auch nur im Rahmen des technisch machbaren Spielzusammenhangs.

Mit Koronis Rift gelangt Lucasfilm Games ein kleines Wunder, denn das Spiel übertrumpft sein eigentlich spektakuläres aber statisches Titelbild, deren Landschaft dieses frühe 8bit-Spiel zum Leben erweckt - in der Ego-Perspektive.
Mit Koronis Rift gelangt Lucasfilm Games ein kleines Wunder, denn das Spiel übertrumpft sein eigentlich spektakuläres aber statisches Titelbild, deren Landschaft dieses frühe 8bit-Spiel zum Leben erweckt – in der Ego-Perspektive.

Grenzen der Technik

Als 1988 Bob Dinnermanns F/A 18 Interceptor in den Speicher des Amiga flog, der Commodore-Piloten begrüßt von einer schönen Ladegrafik mit Blick vom rechten Flügel der F-18 auf das Cockpit und einem gegnerischen Flugzeug, verabschiedet sich statisch (sic) eine Sidewinder in Richtung gegnerisches Flugzeug in der Ferne. Das eigentliche Spiel verblasst scheinbar mit seiner kantigen Vektorgrafik im Vergleich, doch nicht in den Augen der 16-Bit-Piloten, die mangels fortgeschrittener Referenz auch nichts anderes erwarteten.

Es sind große Erwartungen, die Ladeschirme schüren, Situationen und Perspektiven versprechen, die von zeitgenössischer Technik unmöglich gestemmt hätten werden können. Heute ist doch alles besser als damals – oder auch nicht?

Flugsimulationen gaben Spielern den ersten Vorgeschmack auf spielerische Ego-Perspektiven, waren aber auf grobe Drahgittermodelle und später ausgefüllte Polygonobjekte beschränkt, die Ladeschirme mit vermuteten Detailreichtum ausstatten.
Flugsimulationen gaben Spielern den ersten Vorgeschmack auf spielerische Ego-Perspektiven, waren aber auf grobe Drahgittermodelle und später ausgefüllte Polygonobjekte beschränkt, die Ladeschirme mit vermuteten Detailreichtum ausstatten.

DCS, 4-8K und VSG

Großer Aufmacher in der Pixelpracht, Out Run auf dem Amiga. Die Titelgrafik wunderbar, wenn auch nicht ganz exakt, aber ein Hinweis auf technische Sensationen. Glücklich den Joystick-Knopf gedrückt, die Zufriedenheit in stolzes Grinsen umgemünzt…und dann ein Spiel, das nicht einmal das Hauptsprite – einen Ferrari Testarossa – annähernd wiedergibt.

Ladeschirme konnten gewöhnlich Defizite der einstigen Computerspieltechnologie ausgleichen. Im Falle von US Golds Out Run-Konvertierung auf dem Amiga stürzt die Spielgrafiken vollkommen gegenüber dem wunderschönen Ladebild ab.
Ladeschirme konnten gewöhnlich Defizite der einstigen Computerspieltechnologie ausgleichen. Im Falle von US Golds Out Run-Konvertierung auf dem Amiga stürzt die Spielgrafiken vollkommen gegenüber dem wunderschönen Ladebild ab.

Heute fodert DCS ebenso unsere Vorstellungskraft heraus. „Was ist dort unrecht?“, fragen sich „reale“ F16/18 Piloten betreffend visueller Darstellung. Gewiss keine Käufer von US Golds 16-Bit-Out Run-Fassung. Aber wer steckt hinter den Ladeschirmen?

Mehr als 30 Jahre nach F/A-18 Interceptor von Electronic Arts ist das schier unmögliche weit übertroffen: die einstigen statischen Ladeschirme sind verblüffend photorealistischen Spielerlebnissen gewichen.
Mehr als 30 Jahre nach F/A-18 Interceptor von Electronic Arts ist das schier unmögliche weit übertroffen: die einstigen statischen Ladeschirme sind verblüffend photorealistischen Spielerlebnissen gewichen.

Andrés Videospielgeschichten erzählen von eben diesen Menschen dahinter, davor und im Jetzt. Lasst uns diese Geschichte weitererzählen, ob 8k, 4096 Farben oder einfach ein Teil, das einlädt: Spiel‘ mich! Und schreib‘ mit!

Danke für diesen Ladescreen.

Und Deine Geduld.

LOAD “ANDRE“,8
READY.
RUN.
FerdiAndré EymannTobiAlexander StrellenMichael
»

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6 Antworten zu „Als Ladebilder die Welt beherrschten“

  1. Avatar von Ferdi

    Vielen Dank Andreas für diesen, wieder einmal, wunderbaren Text! Ich freue mich immer, wenn Du einen Artikel veröffentlichst, denn Deine Beiträge sind immer etwas ganz Besonderes; unvergessen natürlich Deine Zeilen über Retrografie.

    Und auch dieser Text greift das Thema Retrografie sehr schön auf. Als ich den Text gelesen habe, dachte ich sofort an GI Joe, der ikonische Ladebildschirm hat sich bei mir fest eingebrannt, der wirkte so wuchtig, imposant und auch lebendig und ich habe gerne dabei zugesehen, wie der Panzer oder was das auch immer war, im Schneckentempo über den Bildschirm fuhr, bis der nächste Spielabschnitt im Speicher gelesen war. Großartig. Und dann, mitten im Artikel, kommt dann auch GI Joe und auch genau der Ladebildschirm, der mit im Kopf rumschwirrte.

    Ich hoffe, bald wieder was von Dir zu lesen!

  2. Avatar von André Eymann

    Ein grandioser Beitrag Andreas! Die Ladebildschirme von einst, kennt jeder, der seinerzeit gespielt hat. Deine Beobachtungen sind wunderbar verpackt in Worte, die selbst für bunte Projektionen stehen und die Screens von damals lebendig werden lassen.

    Aus meiner Sicht gehören die Pixelwartewerke dieser Zeit längst in die Kunstgalerien und Museen der Welt. Was sie nicht alles erzählen… über die Spiele die sie vertreten, die Technik ihrer Zeit und natürlich die Liebe zur Pixelkunst.

    Die feststehenden Pixelwerke sind heute leider Geschichte, aber haben viele begeistert und wirken natürlich zeitlos nach. Sie stehen für eine ganz eigene Kunstform im Videospiel, die eine perfekte Überbrückung der Ladezeiten darstellte. Und auch wenn ich die Augen schliesse, sind sie eingebrannt, auf den Bildschirmen meiner Erinnerung.

    Danke für Deinen Text!

    FerdiAndreas WandaMichael
  3. Avatar von Alexander Strellen

    „Wie lange dauert es denn noch?“
    „Ich will endlich spielen!“
    „Das ist langweilig.“
    So klingt es aus dem Mund der beiden Kinder, wenn ich ein Spiel auf dem C-64 starte. Da kann der Ladebildschirm noch so schön gepixelt sein. Heute wird für viel Geld eine PS5 gekauft damit Ladezeiten durch neue Festplatten auf ein Minimum reduziert werden. Die schönen Pixelgrafiken von damals, sind heute von Tipps&Tricks oder Tutorial-Hinweise zum Spielablauf abgelöst worden, „Wusstest du schon das Taste XY …“.
    Schade. Ich habe immer gerne auf Ladebildschirme geschaut. Durch deinen Text, Andreas, erinnere ich mich wieder daran.
    Ein Ladebildschirm hat mir als Spieler auch immer eine Pause vom hektischen Spielablauf gebracht. In modernen Spielen fehlt mir oft diese Pause. Aber 2022 lässt keine Pause mehr zu. Schnell, schnell, sonst wird es langweilig. So sehen es meine Kinder.

    Andreas WandaAndré EymannMichael
    1. Avatar von André Eymann

      Lieber Alexander, ja, das Warten (die Geduld) ist etwas was damals schon allen technisch unvermeidbar war. Natürlich ist es ein Zeichen der Zeit, dass Kindern von heute in diesem Punkt die Ausdauer etwas fehlt. Denn es wurde ihnen abtrainiert. Die ständige Verfügbarkeit von Informationen durch das Internet suggerieren auch bei den Videospielen Reaktionen in Echtzeit. Dem sind leider auch die schönen Ladescreens zum Opfer gefallen.

      Derweil hat sich die Kunst verlagert. Die von Dir angesprochenen Tutorials können sie nicht ersetzen, warten aber mit ihrer ganz eigenen Sprache oft mit Kunst auf. Gerade neulich habe ich wieder einmal Saboteur von Pandemic gespielt und mich an den animierten Tipps&Tricks zur Spielmechanik gefreut.

      Das Du Deinen Kindern aber C64-Spiele zeigst finde ich wunderbar! Magst Du mir verraten, ob und falls ja welche Spiele sie auf dem Heimcomputer mögen?

      Andreas WandaMichael
      1. Avatar von Alexander Strellen

        Wizard of Wor, Bubble Bobble, Boulderdash, Buggy Boy sind im Moment die Favoriten auf dem C-64. Zuerst sollte es immer Giana Sisters sein, das ist im Moment nicht mehr so angesagt. Out Run fanden sie zwar interessant, war aber einfach zu schwierig. Last Ninja ebenso. Geiles Thema aber einfach noch zu schwierig. Bei Wizard of Wor und Bubble Bobble merkt man einfach das Spiele nicht besonders kompliziert sein müssen. Auch ein einfaches Spielprinzip bringt Spaß. Da hat der C-64 manchmal einen Vorteil gegenüber der modernen Switch.

        André EymannAndreas Wanda
        1. Avatar von André Eymann

          Danke für Deine Antwort! Dabei fällt natürlich sofort auf, dass es sich um Koop-Spiele handelt. Zu zweit zu spielen macht den Kindern (vor allen Dingen im kleinen Alter) immer noch am meisten Spaß. Dazu fällt mir direkt wieder mein Beitrag Über die Magie von Coop- und LAN-Spielen ein 😉

          Bei meinen Kids stand und steht auf dem C64 Sea Wolf hoch im Kurs. Ebenso auch Bruce Lee. Ebenfalls beides „Zwei-Spieler-Spiele“.

          Ich würde sagen, einfache Spielkonzepte machen oft am meisten Spaß. Das Spiel ist an dieser Stelle ja eh mehr ein Vehikel für den sozialen Spaß.

          Michael