30 Jahre Amiga Heimcomputer: Ein Rückblick

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Man mag es kaum glauben – stolze 30 Jahre ist es her, als die erste Revision des populären Homecomputers (Amiga 1000) knatternd und knarzend Workbench 1.0 in den RAM wuchtete und somit die Ära des Multitasking-OS begründete.

Dabei sollte das innovative Betriebssystem überhaupt nicht auf den Namen „Workbench“ hören. Das OS bestand aus zwei Disketten – Kickstart und Workbench. Durch einen Fehler der Sales-Abteilung erhielt das System seinen anfänglichen Namen und wurde erst mit Version 2.0 in das ursprünglich angedachte AmigaOS umbenannt.

Der Kampf um die Marke

Die multimedialen Fähigkeiten der Plattform waren ihrer Zeit weit voraus. Kein Wunder – war das Amiga-Chipset ursprünglich für eine Konsole konzipiert. Die grafischen Fähigkeiten und der mächtige 4-Kanal Sound waren bis zum Launch der japanischen Konsole PC-Engine (Release: 1987) im Consumer-Bereich konkurrenzlos.

Geschäftlich war der Amiga hingegen von Anfang an ein schwieriges Thema. Das Geziehe und Gezerre begann weit bevor Raubkopien der Branche einen empfindlichen Schaden zufügten. Jack Tramiel, der zu Atari gewechselter Commodore Gründer, verlor den Finanzpoker um das Amiga-Projekt, vor dessen Verwirklichung, in letzter Sekunde und Commodore sicherte sich die Rechte das Gerät unter eigener Flagge zu produzieren.

Der Besitzer sollte jedoch noch häufiger wechseln. 1994 war Commodore durch einige drastische Fehlentscheidungen am Ende und das deutsche Unternehmen ESCOM AG aus Heppenheim sicherte sich die Amiga-Marke. Hierzu wurde das Sub-Unternehmen Amiga Technologies GmbH in Bensheim gegründet, welche die Produktion der Top-Modelle 1200 und 4000 wieder aufnahm. Der geplante und 1996 vorgestellte Amiga 1300 erschien nicht mehr, da die ESCOM AG kurz darauf Konkurs anmelden musste. Anschließend wurde es unübersichtlich. Die nächsten drei Jahre war die Marke im Besitz von Gateway Inc. und wechselte 2000 schließlich zu Amino Development, welche sich fortan in Amiga Inc. umbenannten. AmigaOS wurde extern weiterentwickelt.

2010 gründete sich mit Commodore USA ein Unternehmen, welches die C64 und Amiga Lizenzen erwarb um Neuauflagen zu produzieren, die optisch an den Klassikern angelehnt waren, deren Innenleben jedoch Standardkomponenten von Intel-PCs zierten, welche mit einem angepassten Linux ausgeliefert wurden.

Unzählige Klassiker

Sämtliche Versuche das Gerät als ernsthafte Business-Lösung zu etablieren waren von wenig Erfolg gekrönt und so waren es vor allem die Zocker, Programmierer und Musiker, welche die Plattform zur Legende des digitalen Entertainments machten.

Spätestens seit Einführung des Amiga 500 wurde die Maschine kompromisslos als Heimcomputer vermarktet. Zu diesem Zeitpunkt waren bereits Klassiker wie Defender Of The CrownSilent Service oder Bubble Bobble auf dem Markt.

Doch die ganz großen Meilensteine sollten erst noch folgen. Die Blütezeit des Amigas (ca. 1989 – 1993) brachte unzählige Perlen hervor: Den vertikalen Shooter Xenon 2, den Fußball-Klassiker Kick-Off, das dystopische Syndicate, die idyllische Kampfkunst-Simulation Budokan, das verschrobene North & South, den Rundenstrategie-Bolliden Battle Isle, das knuddelige Strategie-Spiel Lemmings oder das vielfach gefeierte Action-Spektakel Turrican II. Um nur einige wenige zu nennen versteht sich.

Sid Meiers U-Boot Simulation Silent Service war aufgrund des Spielinhaltes zeitweilig indiziert. (Bild: Microprose)
Sid Meiers U-Boot Simulation Silent Service war aufgrund des Spielinhaltes zeitweilig indiziert. (Bild: Microprose)

AMIGA-FAKTEN

Lebenszyklus
Der als „Personal Computer“ vermarktete Amiga 1000 kam im Juli 1985 auf den Markt und wurde bis 1996 (Modelle Amiga 1200 und 4000T) verkauft.

Der Amiga und die Kunst
Zahlreiche Musik- und Videokünstler verwendeten den Amiga für ihre Arbeiten. Darunter befinden sich auch die folgenden Namen: Chris Hülsbeck, Jesper Kyd, Hardy Hard, Patric Cremer, Sven Väth, Luca Anzilotti, Michael Münzing, Station Rose und Andy Warhol.

Spiele ohne Ende
Für den Amiga wurden im Laufe der Zeit über 3.000 kommerzielle Spiele entwickelt. Das eingebaute Diskettenlaufwerk führte in diesem Zusammenhang zu Problemen mit Raubkopien, da jeder Amiga Besitzer schnell und einfach Spiele vervielfältigen konnte.

In Richtung Mitte der 90er ging dem Amiga allmählich die Luft aus. Die Basis-Plattformen waren immer öfter der PC oder die 16-Bit Konsolen Super Nintendo und Mega Drive. Gerade auf den klassischen Systemen ohne neueren AGA-Chipsatz mühten sich Entwickler ab, Titel wie Wing Commander oder Street Fighter II in eine angemessene Form zu bringen.

Selten gelang es – wie bspw. im Fall von Mortal Kombat, meistens nicht. Eine Alternative waren auf den Amiga zugeschnittene Rip-Offs wie Zool – ein Sonic The Hedgehog-Ersatz – oder das Fighting Game Body Blows, welches sich anschickte das bessere Street Fighter auf Commodores betagter Hardware abzugeben. Spätestens als Titel wie Doomoder X-Wing vs TIE Fighterdie PC-Plattform auf ein neues Level brachten, war die langjährige Erfolgsgeschichte des Amiga am Ende.

Das wunderschöne Xenon 2: Megablast wurden in allen Spielbereichen gelobt. (Bild: Bitmap Brothers)
Das wunderschöne Xenon 2: Megablast wurden in allen Spielbereichen gelobt. (Bild: Bitmap Brothers)

Die Legende lebt

Der popkulturelle Einfluss der Plattform war dennoch so immens, dass sie nie komplett von der Bildfläche verschwand. Bis heute produzieren Künstler audiovisuelle Demos für die Plattform und in etlichen Communitys weltweit versammeln sich Liebhaber des Amiga, um Anekdoten auszutauschen, aber auch mit Hardware zu handeln und Software zu entwickeln.

Der heutige Enthusiast setzt entweder auf modifizierte AGA-Geräte oder auf die Power-PC Varianten mit Amiga OS 4 aus den 2000er Jahren. Wer sich weniger in die Hardware hineinfuchsen will und lediglich ein paar Erinnerungen auffrischen möchte, ist mit einer Emulation bestens bedient – Einsteiger greifen am besten zum (legalen) Rundumpaket Amiga Forever.

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Gerrit LudwigTobi

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4 Antworten zu „30 Jahre Amiga Heimcomputer: Ein Rückblick“

  1. Avatar von André Eymann

    Danke Matthias für Deine Zusatzinfos! Ich freue mich immer, wenn jemand Details zu den Artikeln beitragen kann 🙂

    Gerrit Ludwig
  2. Avatar von Matthias

    Es gab von Amiga Technologies keinen Amiga 1300 sondern den s.g. Walker. Es war einmal von Commodore UK ein Amiga 1300 im Gespräch, aber daraus wurde bekanntlich nichts. Einen Amiga 1300 gab es allerdings von Micronik als Lizenzbau, sprich ein Amiga 1200 Mainboard in einem Micronik Infinitiv Tower. Den Rest kann man so stehen lassen.

    Gerrit Ludwig
  3. Avatar von Andreas Wanda

    Ein gekonnter Rückblick auf den Commodore Amiga, der vor seiner Zeit gehen musste. Die angesprochenen „Fehlentscheidungen” der Commodore Chef-Etage waren auch wirklich herzzerreissend: obwohl der Amiga für großzügige Erweiterungen ausgelegt war, träumte das Management von der Unendlichkeit der Heimcomputer-Ära. Also vernachlässigte man sträflichst Amiga-Besitzer und -Entwickler, mächtige Festplatten/Speicher/Turbokarten-Combos mussten teuer bei Dritt-Herstellern erworben werden. Ungut, wenn zeitgleich flotte, personalisierbare Rechner, eben „PCs”, mit standardmäßigen Festplatten erschwinglich wurden…einen Traum konnte ich mir aber dennoch erfüllen, „Wing Commander” für den Amiga mit der GVP030 genießen, „Frontier – Elite II” war dann der letzte Streich auf meinem A500…

    Gerrit Ludwig
  4. Avatar von Amiga Arena
    Amiga Arena

    Für nicht Amiga – Kenner, kurz und bündig geschrieben.

    Gut und schnell zu lesen.

    aMIGa rulez!