„Videospiele sind mehr als ein Produkt“ – Blogvorstellung & Interview mit Sven Festag und Kevin Puschak (QUICK-SAVE)

Avatar von André Eymann

Heutzutage spielt sich fast alles in den sozialen Medien ab. Es wird jede Sekunde ge-posted, ge-liked und ge-shared. Doch ähnlich wie bei Astérix & Obelix gibt es ein kleines gallisches Dorf von Webseiten über Videospiele, die einfach nicht aufgeben wollen. Zu eben diesen Webseiten gehört auch QUICK-SAVE, ein Blog über Computer- und Videospiele, der 2014 das Licht der Welt erblickte.

Vorausgegangen war dem Projekt ein YouTube-Kanal für Let’s Plays, der bereits 2012 an den Start ging. 2014 dann wurde das YouTube-Angebot durch eine Webseite ergänzt. Im Sommer 2016 kam es zum „Switch over“: mehr und mehr Texte erschienen auf der Webseite und der YouTube-Kanal wurde heruntergefahren.

Seit 2017 betreiben Sven Festag und Kevin Puschak QUICK-SAVE gemeinsam und man merkt es ihren Texten an: hier wird viel Herzblut investiert! Das Schreiben ist den beiden ein Anliegen und hier geht es nicht um „News“ oder „kurze Anreisser“. Die Beiträge sind mit viel Sorgfalt und Liebe geschrieben, gehen in die Tiefe. Mich persönlich freut so etwas immer sehr, denn in Tagen wie diesen scheinen Webseiten wie QUICK-SAVE schon fast anachronistisch, weil sie der schnelllebigen Social Media Welt im Grundsatz entgegenstehen.

Deshalb habe ich mit Sven und Kevin über ihre persönlichen Motive gesprochen. Wer sind die Menschen hinter QUICK-SAVE? Was treibt sie an? Lasst euch überraschen.

Durch das Interview führt André Eymann

Hallo Sven! Danke für Deine Bereitschaft für den Austausch. Kannst Du Dich noch an Deine „ersten Schritte“ mit QUICK-SAVE erinnern?

Sven Festag @ privat
Sven Festag @ privat

Sven: ja, klar! Mein erster Beitrag war ein kurzer Bericht über die Spiele, die ich auf der gamescom 2016 getestet habe. Anfangs war das thematisch noch gar nicht so eng eingegrenzt. Es gab Spiele-, Film- und Serienreviews, Techniktests und Ausflugsberichte. In Erinnerung geblieben ist mir ein (ehrlich gesagt ziemlich schlechter) Bericht über meinen ersten Kauf aus China: eine USB-Glühbirne. Nebenbei habe ich noch einen Politik-Podcast produziert, den ich aber nach drei Ausgaben wieder eingestellt habe.

Oh, einen Politik-Podcast? Wie kam es dazu und warum das schnelle Ende?

Sven: Ich war schon immer an Politik interessiert und wollte mich unbedingt an Podcasts ausprobieren. So kam dann eins zum anderen. Allerdings ist für diese Thematik ziemlich viel Recherche und Planung nötig, da ich zwar Interessierter, aber eben kein Profi auf dem Gebiet bin. Außerdem ist die Politik ein schnelllebiger Themenbereich. Die nötige Schlagzahl an Ausgaben hätte ich niemals schaffen können, zumal ich recht hohe Ansprüche an mich selbst hatte.

Aber es war eine gute Erfahrung, um herauszufinden, welche Arbeiten für das Podcasten nötig sind. Das konnte ich dann bei unserem Podcast einbringen. Die meiste Arbeit übernimmt aber Kevin.

Wann genau kam Kevin ins Spiel? Wie habt ihr euch kennengelernt?

Sven: Kevin kenne ich seit Anfang 2014. Wir haben uns damals in einem Let’s Play Forum kennengelernt. Nachdem ich im September 2017 ins Technikjournalismus-Studium gestartet bin, wollte ich den Blog etwas professioneller werden lassen. So kam dann im November der Relaunch unter dem aktuellen Namen.

Im Dezember 2017 kam Kevin dann als regelmäßiger, freier Autor hinzu. Seinen ersten Beitrag schrieb er zur ETS-2-Online-Mod Truckers MP. In 2018 kam dann der Podcast hinzu (der eigentlich eher Kevins Projekt ist) und der Fokus wurde klar auf Videospiele gelegt. Seit Juni 2020 unterstützt mich Kevin dauerhaft, vor allem für Social Media.

Von Kevin durften wir hier bei Videospielgeschichten ja auch schon zwei Beiträge veröffentlichen. In seinem ersten Text Videospiele – Meine nie enden wollende Laufbahn geht er detailliert auf seine persönlichen Hintergründe ein. Dabei resümiert er „Und will ich nur einen Gedanken daran verlieren, jemals komplett aufs Spielen zu verzichten? Niemals. Dafür gibt es zu viele Spiele, die ich sehr gerne entdecken möchte bzw. worüber ich meine Eindrücke hinterlassen möchte.“

Wie ist das bei Dir Sven? Warum reizt Dich das geschriebene Wort? Was treibt Dich im Kern an, Texte zu verfassen?

Sven: Ich war schon immer ein Mensch des geschriebenen Wortes, habe viel gelesen und viele Texte verfasst. Beim Schreiben kann ich mich viel präziser und eloquenter ausdrücken als ich es verbal jemals könnte. Dadurch habe ich einen großen Freiraum, in dem ich arbeiten kann. Es ist in einem Text sehr leicht, noch einmal innezuhalten, über das Verfasste nachzudenken und es noch einmal abzuändern, damit der Text genau das aussagt, was ich vermitteln möchte. Und zwar auf die Art und Weise, auf die ich es möchte.

Kevin, Du bist seit 2017 die zweite Häfte von QUICK-SAVE und schreibst im Schwerpunkt Spiele- und Technikreviews für die Webseite. Außerdem hast Du den angeschlossenen Podcast QUICK-LOAD ins Leben gerufen. Was fällt Dir leichter? Das Schreiben oder das Sprechen über Videospiele?

Kevin Puschak @ privat
Kevin Puschak @ privat

Kevin: Es dürfte an meiner Detailverliebtheit liegen, dass ich im gesprochenen Wort mehr Sachen über ein Videospiel reinpacken kann als in einem Artikel. Jedoch kann ich das geschriebene Wort auf mehrere Tage verteilen, was sich dann auch mit meiner wenig verfügbaren Zeit vereinbaren lässt. Insofern ist das ein wenig schwierig einzuschätzen, was mir leichter fällt.

Wie kam es zu dem Podcast? Was war der Anlass diesen zu gründen?

Kevin: So viel sei verraten: geplant war der Podcast schon Monate zuvor. Sven und ich wollten einen Podcast etablieren, der durchaus spannende mehr spielerelevante Themen behandelt, die für einen Artikel zu viel Platz gefressen hätten. Uns war nicht einmal bewusst, dass wir da mitten in der Podcast-Welle reingeritten sind, die sich ab 2018 so nach und nach ergeben hat. Kurz gesagt: wir hatten Bock drauf.

In euer Rubrik „Journal“ werden manchmal auch philosophische Kontexte und Beobachtung der Gesellschaft angefasst, was ich persönlich sehr lesenswert finde. Wollt ihr diese Kategorie in Zukunft weiter ausbauen?

Sven: Die Journal-Rubrik habe ich ins Leben gerufen, weil ich der Meinung bin, dass Videospiele mehr als ein Produkt sind. Es geht darum, Videospiele in einem breiteren Kontext zu verstehen. Den Begriff „New Games Journalism“ kannte ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht, aber die Richtung ist eine ähnliche. Leider ist die Zeit, gerade bei mir, immer ein wenig knapp, aber es sind definitiv noch Beitragsideen vorhanden, die nur auf eine Umsetzung warten.

Mit der Einführung eurer Kategorie „FWD:“ habt ihr im Dezember 2020 ein Format ins Leben gerufen, das die Vielfalt der Medienlandschaft der Videospielbranche aufgreift und andere Veröffentlichung vorstellt. Ähnlich wie die Rubrik Lesenswert bei Spielkritik erweist ihr der Community damit einen unschätzbar wertvollen Dienst. Wie kam es zu dieser Idee?

Sven: Das Fwd:-Format entstand aus meiner Absicht, wieder mehr aus der Produzenten- in die Konsumentenrolle überzugehen. Ich wollte Texte lesen und neue Perspektiven kennenlernen. Da dachte ich, dass es eine gute Idee sein könnte, diese Texte zu teilen und habe mich an die Rubrik von Spielkritik erinnert. So habe ich dann beide Rollen miteinander verbinden können.

Der Begriff „Vielfalt“ trifft es sehr gut. Die Vielfalt der Gaming-Medien ist viel höher als es ein einzelner Blog jemals abbilden könnte. Deswegen ergibt es für mich nur Sinn, darauf aufmerksam zu machen. In Zukunft möchte ich den Fokus noch stärker auf weniger bekannte Medienschaffende mit guten Texten legen.

QUICK-SAVE testet Spiele und die Technik auf möglichst authentische Art und Weise. (BIld: Kevin Puschak)
QUICK-SAVE testet Spiele und die Technik auf möglichst authentische Art und Weise. (BIld: Kevin Puschak)

Wie steht ihr grundsätzlich zum Thema Videospielejournalismus? Der Wandel vom Print zum Online ist ja im vollen Gange. Werden „Bezahlformate“ künftig noch profitabel sein können? Was muss sich aus eurer Sicht ändern?

Sven: Das ist eine wahnsinnig komplexe Frage. Zuerst einmal bin ich davon überzeugt, dass Print niemals ganz aussterben wird. Aber Onlinemedien spielen inzwischen die Hauptrolle und werden es in Zukunft noch stärker tun. Klassische Magazine setzen noch immer auf gewohnte Formate, wie es sie bereits seit über 20 Jahren gibt und bedienen damit vorwiegend die Zielgruppe, die mit dieser Art von Videospieljournalismus aufgewachsen ist. Diese Zeitschriften haben immer noch eine News-Rubrik, obwohl es dieselben Nachrichten schlimmstenfalls schon drei Wochen zuvor online zu lesen gab. Das kann doch nicht funktionieren.

Ein langjähriger PC Action-Redakteur meinte sogar einmal, dass Blogs das Geschäft der Videospielmagazine zerstören würden, weil sie nicht mit kostenlos zugänglichen Inhalten konkurrieren können. Wer jetzt glaubt, dass die Redaktionen nicht gemerkt haben, dass es am Charakter der eigenen Inhalte liegt, hat weit gefehlt. Die wissen das ganz genau. Sie haben nur zwei Probleme. Einerseits haben sie eine bereits von mir erwähnte Zielgruppe, die genau diese Inhalte erwartet und diese nun zunehmend gratis im Netz findet.

Andererseits sind sie so sehr von den Anzeigenkunden aus der Branche abhängig, dass sie den neusten AAA-Titel in fünf Previews und einem 10-Seiten-Testbericht bringen müssen, damit die Anzeigenseiten verkauft werden. Ihnen bringen hochwertig produzierte Inhalte nichts und sie müssen versuchen, das ins Netz abgewanderte Publikum mit ihren Onlineportalen wieder einzufangen und dort mit tollen Gewinnspielen und noch mehr Hype bei Laune zu halten. Das Heft kauft nur noch ein treuer Kern und diejenigen, die die kostenlose Vollversion des Spiels haben wollen.

Bezahlformate sind eine gute Chance, unabhängige Medien im Netz zu schaffen. Das gilt auch für Gaming-Medien. Superlevel oder das neue Wasted-Portal, das aus dem WASD-Magazin hervorgegangen ist, können da richtungsweisend sein.

Dabei dürfen wir aber auch nicht vergessen, dass hier eine andere Zielgruppe bespielt wird. Den klassischen Testbericht wird sich hinter einer Bezahlschranke niemand anschauen wollen und stattdessen eine Seite suchen, die ihn kostenlos anbietet. Exklusive und gut recherchierte Texte können so aber funktionieren. Zwar ist eine Website günstiger als der Druck einer Zeitschrift, kostet aber immer noch Geld. Und Medienschaffende, die von ihrer Arbeit leben müssen, haben es auch verdient, von ihrer Arbeit leben zu können.

Wir müssen aber auch darauf achten, dass wir da alle Menschen mitnehmen. Zwar sind die Abos oft nicht teuer, aber trotzdem können sich Medienvielfalt nicht alle Menschen leisten. Hier fehlt noch eine solidarische Lösung.

Wow, das ist eine umfassende Antwort! Eine Frage dazu fällt mir noch ein: welche Bedeutung würdest Du Gaming-Blogs in Bezug auf den Begriff „New Games Journalism“ und ihre qualitative Rolle in der Leselandschaft persönlich zumessen? Haben Blogs aus Deiner Sicht das Zeug, mit den „etablierten“ und bekannten Marken mitzuhalten oder gar Vorreiter zu sein?

Sven: Das sind sie bereits. Blogs haben – nicht im Einzelnen, aber in ihrer Gesamtheit – eine Vorreiterrolle. Und die müssen sie auch haben, wenn sie mit klassischen Medien „mithalten“ wollen. Selbstverständlich kann sich ein Blog strukturell und inhaltlich an einem großen, klassischen Medium orientieren. Daraus ergibt sich aber eine Konkurrenzsituation, die der Blog praktisch nicht gewinnen kann, da das klassische Medium über einen erheblichen Reichweitenvorteil verfügt und es dem Blog selbst mit höchster Qualität nur schwer gelingen wird, die Community von ihrem Stamm-Medium zu lösen.

Erfolgsversprechender ist es, die Vorteile des Blogs auszuspielen. Sie sind vom Anzeigenmarkt der Branche unabhängig und Entscheidungen können agiler getroffen werden. Daher haben sie einen viel größeren Spielraum, Neues auszuprobieren.

Hier setzt dann auch der New Games Journalism an. Die Unabhängigkeit vom Anzeigenmarkt ermöglicht es den Blogs, stärker vom Produkt Videospiel abzurücken und eher das Kunst- und Kulturobjekt Videospiel wahrzunehmen. Es muss nicht mehr darum gehen, einem Spiel eine hohe Wertung und ein Prüfsiegel zu verpassen, das dann vom Publisher werbewirksam genutzt wird. Stattdessen können Menschen ihre Erlebnisse mit und in Videospielen teilen oder einzelne Aspekte und Hintergründe analysieren. Der New Games Journalism ist ein Beispiel dafür, wie Blogs die Medienlandschaft nachhaltig beeinflussen können.

Kevin: Ich bin in dem Gebiet völliger Quereinstieger, aber ich finde, der Videospielejournalismus ist nach wie vor spannend. Ich mag es, verschiedene Meinungen zu Videospielen zu lesen. Interessant wirds, wenn es völlig unterschiedliche Meinungen zu einem Titel gibt. Und da die Entwicklung nicht stehenbleibt, macht die schwindene Seltenheit über Rückblicke auf vergangene Titel das ganze erst richtig spaßig.

Fürs geschriebene Wort Bezahlformate zu etablieren scheitert meiner Meinung nach eher am jüngeren Publikum, welches eher bereit ist, für die Machwerke von Content-Schaffenden ihrer Online-Video-Idole zu zahlen als für nüchtern verfasste Testberichte über Spiele. Man könnte beides kombinieren, aber das scheitert gerne an der Ablehnung gegenüber YouTubern, Twitch-Streamenden usw. Insofern: schwierig einzuschätzen.

Abschliessend würde ich euch gern noch Fragen, wohin die Reise mit QUICK-SAVE gehen wird. Was sind eure Pläne? Welche persönlichen Aspekte möchtet ihr in der Zukunft in euer Projekt einbringen?

Kevin: Man sagt ja immer: „Never change a running system…“ Ein bisschen am Schreibstil feilen ist immer eine gute Sache, selbst wenn es für die bereits existierenden und lektorierten Texte überwiegend positive Kritik gab. Ich will zwar nach wie vor daran festhalten, Spiele auf entsprechend alten Systemen auszutesten, aber es könnte nicht schaden, den Kompatibilitätsstatus mit neueren Systemen anzuzeigen. Zu meinen aktiven YouTube-Zeiten gab es in der Form viele Anfragen, nach dem Motto „Läuft das unter Windows 10?“.

Über eine Integration von Videomaterialien passend zu den Artikeln (etwa eigens aufgezeichnetes Gameplay-Material vom Spiel) haben wir auch schon mal nachgedacht, ebenso über die Einführung von Pro-/Contra-Punkten bei Tests. Und hoffentlich mehr Aktivität wäre nicht schlecht, wenns unsere verschwindend geringe Zeit überhaupt erlaubt.

Sven: Kurzfristig denke ich da an die Umsetzung der besagten Beitragsideen. Außerdem habe ich noch eine Formatidee im Kopf, die aber noch ganz am Anfang der Entwicklung steht. Dazu möchte ich aber noch nichts sagen. Da muss ich erst einmal ausprobieren, unter welchen Voraussetzungen das funktionieren kann.

Langfristig möchte ich QUICK-SAVE gern noch näher an der Community platzieren und die Zusammenarbeit mit anderen Publikationen verstärken.

Ich bedanke mich bei euch für das spannende Interview und wünsche euch alles Gute!

Tobi

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