My Little Dragon – Liebe für den Heimcomputer

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My Little Dragon – hört sich nach einer Geschichte über Drachen, Ritter und Burgen an. Tatsächlich aber geht es in diesem Beitrag um einen Homecomputer.

Natürlich um einen ganz besonderen Heimcomputer. Dragon 32 lautet seine, für einen Computer, recht seltsame Bezeichnung. Der Hersteller des Rechners, die Dragon Data Ltd., hatte ihren Sitz im britischen Wales.

Wie aber nun kam die Bezeichnung von Dragon Data und des gleichnamigen Computers zustande? England-Kenner werden jetzt sicher denken, ja klar, Wales, als Teil des Vereinigten Königreiches, hat auf seiner Flagge einen roten Drachen. Und nach genau diesem wurden die Firma und ihr Computer benannt.

Ein Drache fliegt nach Spanien

Der Dragon 32 hatte eine solide Tastatur. (Bild: Torsten Othmer)
Der Dragon 32 hatte eine solide Tastatur. (Bild: Torsten Othmer)

Gegründet wurde Dragon Data Ltd. 1981 als Tochterunternehmen des britischen Spielzeugherstellers Mettoy, der gern etwas vom lukrativen Heimcomputer Markt abhaben wollte.

Dragon Data entwickelte daraufhin in Zusammenarbeit mit PA Technologie aus Cambridge innerhalb von nur drei Monaten einen funktionstüchtigen Prototyp. An sich war die auf den ersten Blick extrem kurze Entwicklungszeit keine überaus herausragende Leistung. Denn Technologisch basiert der Dragon voll und ganz auf den schon zwei Jahre vorher auf den US-amerikanischen Markt gebrachten CoCo Computer von Tandy.

Beide benutzten einen von Motorola entwickelten Chipsatz auf Basis der recht wenig verbreiteten Motorola 6809E CPU und den 6847 Videodisplay-Controller als Grafikchip. Verbessert wurde lediglich die Tastatur und es wurde eine parallele Druckerschnittstelle eingebaut. Selbst der seitlich ausgeführte Erweiterungssteckplatz war zum CoCo kompatibel, so das viele Spielmodule von Tandy auf dem Dragon funktionierten.

Das Firmenlogo von Dragon Data mit dem roten Drachen. (Bild: Dragon Data)
Das Firmenlogo von Dragon Data mit dem roten Drachen. (Bild: Dragon Data)

Als Programmiersprache kam, wie bei den meisten Heimcomputern, das Extended Microsoft Basic zum Einsatz. Leider wurde der anfänglich große Verkaufserfolg des Dragon 32, der ab August 1982 in den britischen Geschäften stand, zum Verhängnis von Dragon Data.

Anfängliche Produktionsschwierigkeiten, Fehlplanungen und Missmanagement führten im Juni 1984 dazu, dass Dragon Data nach weltweit über 200.000 verkauften Dragons, Insolvenz anmelden musste. Die Firma war einfach nicht auf den unerwarteten großen Erfolg vorbereitet und konnte nicht das nötige Kapital aufbringen, um dieses System im benötigten Zeitraum weiterzuentwickeln.

Das war dann zwar nicht das Ende des Dragon, aber die gesamte Produktion und Entwicklung wurde nach Spanien, an die bis dahin im Computersektor unbekannte Firma Eurohard S.A., verkauft.

Immerhin wurde er von dort aus mit unterschiedlichen Bezeichnungen und leicht modifiziert als Dragon 200 und Dragon 200E (mit 80 Bildschirmzeichen Darstellung) bis Mai 1986 weiter produziert und unter anderem in spanischen Schulen eingesetzt.

Zwei Dragon Computer aus dem Bestand von "Retro Man Cave". (Bild: Neil, Twitter: @TheRetroManCave)
Zwei Dragon Computer aus dem Bestand von „Retro Man Cave“. (Bild: Neil, Twitter: @TheRetroManCave)
Chuckie Egg, das auch auf dem ZX Spectrum and BBC Micro, wurde 1983 für den Dragon 32 umgesetzt. (Bild: Moby Games)
Chuckie Egg, das auch auf dem ZX Spectrum and BBC Micro, wurde 1983 für den Dragon 32 umgesetzt. (Bild: Moby Games)

Eine zeitlose Überraschung

Das Büchlein "My Little Dragon", gefunden in meiner Dragon 32 Verpackung. (Bild: Torsten Othmer)
Das Büchlein „My Little Dragon“, gefunden in meiner Dragon 32 Verpackung. (Bild: Torsten Othmer)

Der Titel dieses Artikels heißt „My Little Dragon“. Zugegeben, der Autor besaß zu dieser Zeit keinen Dragon Computer, hat sich aber vor wenigen Jahren einen aus England gekauft, weil er in Deutschland nur selten verkauft wurde und aktuell kaum angeboten wird. Mein Dragon kam in Originalverpackung samt dazugehörigen Handbuch und ja, es lag noch etwas in dem Karton…

Ein kleines selbst geschriebenes Büchlein in Form eines Drachen geschnitten! Der Vor-, oder wahrscheinlich Vorvorbesitzer hatte sich die Mühe gemacht, eine kleine Bedienungsanleitung seines sicherlich lieb gewonnenen Computers, dem neuen Inhaber oder „Herrchen“, zu schreiben. Jetzt, drei Jahrzehnte später ist dieses kleine Dokument ein Zeitzeuge, der belegt, wie innig die Verbindung vieler Menschen zu ihrem Computer sein konnte.

Die späten 1970er- und 1980er-Jahre prägten eine neue Generation von Menschen, denen es möglich war sich auch privat, abseits von Forschungseinrichtungen, Universitäten und Großbetrieben intensiv mit der neuen digitalen Technik zu beschäftigen. Die zumeist jungen Computernutzer waren die Pioniere im Umgang mit Mikrocomputern. Sie beherrschten eine Technik, von dem ihr Umfeld nichts verstand.

Den „Computerfreak“ gibt es heute als solchen kaum noch. Zum Kern der Technik braucht heute niemand mehr vordringen um einen Computer oder Smartphone bedienen zu können. Niemand mehr muss sich mit der Programmiersprache BASIC oder gar Assembler auseinandersetzen.

Ein heutiger Computer wird einfach nur bedient, dank grafischer Benutzeroberfläche, Touchscreen oder Maus ist das im wahrsten Sinne des Wortes kinderleicht. Und das ist auch gut so. Es wird von niemandem erwartet, ein Mechatroniker zu sein, um ein Auto fahren zu können und genauso muss niemand Kenntnisse über die Hardware seines Computers besitzen, um diesen benutzen zu können.

Auf der anderen Seite, identifiziert sich heutzutage kaum noch jemand mit seinen Computer. Mal davon abgesehen, dass die meisten Computer dank kompatibler Hardware und gleichen Betriebssystemen beliebig austauschbar sind, spielt der Hersteller keine Rolle mehr. Markentreue existiert bei Computernutzern kaum noch.

Torsten Othmer

Mein Dragon 32 wurde – wie man an den folgenden Bildern gut erkennen kann – sicherlich „geliebt“. Sein Besitzer kannte ihn wahrscheinlich in und auswendig. Womöglich programmierte er sogar seine ersten BASIC-Programme auf ihm. Er gab ihn schließlich weiter und wollte, dass der neue Besitzer ebenfalls Freude an diesem Gerät hat. Sicher hat sich der Vorbesitzer einen neuen Computer zugelegt.

Persönliche Tipps und Hinweise zu Fehlermeldungen im Handbuch. (Bild: Torsten Othmer)
Persönliche Tipps und Hinweise zu Fehlermeldungen im Handbuch. (Bild: Torsten Othmer)
Liebevolle Speicherhinweise inklusive einer Spieleliste. (Bild: Torsten Othmer)
Liebevolle Speicherhinweise inklusive einer Spieleliste. (Bild: Torsten Othmer)
Wie man Musik macht und dem kleinen Drachen das Rechnen beibringt. (Bild: Torsten Othmer)
Wie man Musik macht und dem kleinen Drachen das Rechnen beibringt. (Bild: Torsten Othmer)
Anleitung zum Abspielen eines Programms. (Bild: Torsten Othmer)
Anleitung zum Abspielen eines Programms. (Bild: Torsten Othmer)

Schwieriger Wechsel

Multi-ROM Modul für den Dragon 32. (Bild: Torsten Othmer)
Multi-ROM Modul für den Dragon 32. (Bild: Torsten Othmer)

Da der Dragon eine selten verwendete, aber hervorragende 8-Bit Motorola CPU besaß, war der Wechsel zu einem anderen Computersystem ein großer Schritt. Das BASIC war nicht mehr dasselbe und auch all die zuvor erworbenen und selbst entwickelten Softwareprogramme liefen nach dem Wechsel auf den neuen Rechner nicht mehr.

Darum blieben viele Homecomputerbesitzer ihrem Gerät viele Jahre treu und lösten ihre Technik erst mit Erscheinen von leistungsstarken PC-Systemen ab. Diese liefen dann oft schon mit dem grafischen Microsoft Windows und waren einfach, ganz ohne Programmierung, zu bedienen.

Viele Pioniere der Heimcomputer-Ära wünschen sich heute ihren ersten Computer zurück, den sie in und auswendig kannten und der noch als Ganzes zu verstehen war. Diese Entwicklung kann man auch gut bei den bekannten Online-Auktionshäusern nachvollziehen, wo für Geräte aus der Zeit der Heimcomputer, teilweise hohe Preise bezahlt werden. Die Originalverpackung oder gar Hardwareerweiterungen zu den angebotenen Computern, sind dabei keineswegs selbstverständlich.

„My Little Dragon“ ist nun in guten Händen, wird regelmäßig auf Messen und Events bespielt und wird dank der aktuellen Entwicklung neuer Hardware wie Multi-ROM- und Experimentiermodulen oder gar Diskettenlaufwerks-Controllern auch in Zukunft noch oft in Betrieb genommen werden.


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6 Antworten zu „My Little Dragon – Liebe für den Heimcomputer“

  1. Avatar von André Eymann

    Danke für Deine Beitrag! Wenn Du Dich ein wenig mehr auf unserer Seite umschaust, dann wirst Du wahrscheinlich feststellen, dass es uns im Schwerpunkt nicht darum geht, lexikalisch gesehen vollständig zu sein. Videospielgeschichten.de ist eben kein Lexikon bzw. hat nicht den Anspruch einfach nur Fakten aufzulisten. Bei uns geht es – im Unterschied zu Wikipedia – um subjektive und persönliche Geschichten, die natürlich hier und da Fakten präsentieren, aber im Wesentlichen Erinnerungen und Gedanken zum Thema Videospiele festhalten. Daher auch unser Name.

  2. Avatar von Anon
    Anon

    Schaut euch mal den Artikel zum Dragon 32/64 in der deutschsprachigen Wikipedia an, der ist sehr gut recherchiert und um einiges informativer.

  3. Avatar von Manuel
    Manuel

    Ich habe die Erfahrung gemacht, dass man dem Preiskampf am besten auf einschlägigen Retro-Börsen entgeht. Hier werden meist faire Preise angeboten und die Verkäufer sind in der Regel keine Abzocker. Sie freuen sich, ihre Geräte in gute Hände zu geben. Wenn man dann noch ein paar Spiele / Module mit dazukauft, ergibt sich meist ein gutes Angebot. Außerdem kann man den Zustand des Gerätes natürlich viel besser einschätzen.

  4. Avatar von Stefan
    Stefan

    Ein wirklich sehr schöner Artikel. Für mich als Kenner und Liebhaber der UK Homecomputer- und Homebrew Szene hat es mir eine Freude bereitet, mal einen etwas unbekannteren Kandidaten von der Insel durchleuchtet zu sehen.

    Den derzeitige Durst nach 8-/16 bit auf Platformen wie Ebay sehe ich mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Es freut mich zu sehen wie viele Menschen ihre Kindheit und Jugend wiederbeleben. Als Sammler, der mittlerweile eine tolle Zusammenstellung teils auch sehr rarer Geräte sein eigen nennt, sehe ich dem Trend aber mit Sorge entgegen. Mittlerweile werden selbst die vergilbtesten Objekte für horrende Gebühren verkauft. Hier noch ein Schnäppchen auf seiner „Jagd“ zu machen ist da leider nicht mehr so ohne weiteres möglich.

    Aber über die Jagd werden wir demnächst ja noch einen schönen Artikel hier lesen dürfen 😉

  5. Avatar von Marc
    Marc

    Sehr schöner Artikel – da wird man ja ganz wehmütig.

  6. Avatar von Rolo
    Rolo

    Für mich immer noch einer der schönsten Heimcomputer. Das Gehäuse und die Tastatur – ich fand das damals schon sehr ansprechend. Natürlich im Schatten des C64. Aber genau diese Vielfalt war es, die das Besondere der Heimcomputer-Ära ausgemacht hat.

    Ich frage mich, wie viele Dragon 32/64 mag es wohl noch geben, in Deutschland?