Ausgekramt: Gorillas

Avatar von Nadine

Lange bevor ich mir Gefechte mit bis an die Zähne bewaffneten wirbellosen Tieren in „Worms“ lieferte, gab es mit „Gorillas“ ein Spiel, in dem sich zwei Affen über der Skyline einer bunten Stadt mit explodierenden Bananen bewarfen. Das ist genauso bescheuert, wie es klingt. Aber auch erstaunlich unterhaltsam.

Als Demo der Programmiersprache QBasic wurde „Gorillas“ (auch bekannt unter seinem Quellcode-Dateinamen GORILLA.BAS) 1991 von der IBM Corporation veröffentlicht.
Ziel des Spiels ist es, einen gegnerischen Gorilla mit einer Banane zu treffen, sodass er sich in einer (grafisch zugegeben eher unspektakulären) Explosion auflöst. Zwei Personen können so in diesem (lokalen, also quasi Couch-Coop) Spiel gegeneinander antreten.

Zu Beginn gibt es natürlich ein paar Formalitäten zu klären:

Nachdem ich und mein*e Mitspieler*in unsere Namen eingetippt haben, können wir festlegen, wie viele Punkte für einen Sieg benötigt werden. Einen Punkt gibt es immer dann, wenn ich mit dem verschmähten Obst mein Gegenüber eliminiert habe.

Dann wird noch die Gravitation bestimmt, also die Schwerkraft, die vorherrschen soll. Ja, theoretisch kann die epische Schlacht also auch unter den Bedingungen ausgetragen werden, die beispielsweise auf dem Mars vorherrschen. Für die Erdbeschleunigung bleibe ich bei den gewohnten 9,8 m/s².

So ein Affentheater

Wir werfen nun abwechselnd eine Banane, indem wir jeweils zwei Werte vorgeben: den Winkel, in dem das Obst geworfen wird, und die Geschwindigkeit, mit der es geschleudert werden soll. Diese wird als Zahl einfach eingetippt und dann abgewartet, was dabei passiert. Ja, das ist tatsächlich Mathematik! Beziehungsweise Physik. Wer hier in der Schule aufgepasst hat, ist also klar im Vorteil.

Je nach mathematischem Geschick kann es unter Umständen ein Weilchen dauern, bis jemand getroffen wird und möglicherweise werden auch alle Hochhäuser zerbombt, ehe einer der Gorillas schließlich in die ewigen Jagdgründe eingeht. In der Regel wird jedoch wesentlich länger darauf gewartet, dass die Banane überhaupt irgendwo ankommt, denn die rotiert für die hektischen Verhältnisse der heutigen Zeit ziemlich gemächlich über den Bildschirm.

Zu beachten gibt es im Übrigen auch noch Windrichtung und Windgeschwindigkeit. Diese werden am unteren Bildrand durch einen Pfeil dargestellt, der dementsprechend nach links oder rechts zeigt und länger oder kürzer ausfällt.

Auch für Mathemuffel geeignet

Die Mathe-Zeilen klangen jetzt vielleicht nicht unbedingt nach unbändigem Spielspaß, aber das täuscht! Auch ohne mathematisches Verständnis komme ich ganz gut zurecht und schlussendlich muss sowieso etwas herumprobiert, sich langsam näher ans Ziel getastet und gehofft werden, dass ich das eher hinbekomme als mein*e Mitspieler*in.

Und so sitze ich dann gebannt vor dem Bildschirm, während das krumme gelbe Etwas über Selbigen kreucht und sich Millimeter für Millimeter voran tastet. Und immer, wenn ich anhand der Flugbahn zu erahnen glaube, dass ich diesmal alles richtig gemacht habe, verfehlt das Geschoss um Haaresbreite den Gorilla und frisst stattdessen ein Loch in die zehnte Etage des schicken türkisen Büroturmes. Ich kann bloß hoffen, dass die Angestellten, die dort mühsam ihren Lebensunterhalt verdienen müssen, schon nach Hause gegangen sind oder aufgrund der King-Kong-Apokalypse evakuiert wurden.

Es war übrigens einer meiner Brüder, der meine Erinnerung an das Spiel auffrischte. Ihn selbst ereilte der Geistesblitz an „Gorillas“ während einer Folge von „The Big Bang Theory“ – nicht, dass es dort erwähnt worden wäre. Es ging wohl schlichtweg um Winkel, X- und Y-Achsen und Raketen. Welche Windungen sein Hirn daraufhin genommen hat, um ein paar Affen auszugraben, die sich mit explosiven Bananen bewerfen – wer weiß.

Ich weiß nur, dass wir uns damals Schlacht um Schlacht über den Dächern der bunten Stadt geliefert haben und definitiv unseren Spaß hatten.

Kein PC, kein Problem

Wer diesen Spaß auch erleben möchte, kann „Gorillas“ auf diversen Seiten kostenlos herunterladen und beispielsweise mithilfe von DOSBox starten. Alternativ gibt es Seiten, die es als Browserspiel anbieten. Und für das Handy gibt es das Game auch (bisher habe ich nur die Android-Version getestet). Dort gibt es neben der klassischen Eingabemöglichkeit von Winkel und Geschwindigkeit auch eine „moderne“ Variante, bei der durch Wischen über das Display ein Vektorpfeil erzeugt wird, was das Ganze natürlich etwas bildlicher und vielleicht auch einfacher macht.

Da bei der Smartphone-Version übrigens auch gegen den Computer angetreten werden kann, eignet sie sich hervorragend, um Wartezeiten zu überbrücken – beim Arzt, der Kfz-Zulassungsstelle oder wenn im Zoo mal wieder alle vor dem Gorillagehege hocken und die Sicht versperren.

Banane gefällig?

Alexa SpraweFlorian AuerAndré EymannThorsten WeiskopfTobi

Avatar von Nadine

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12 Antworten zu „Ausgekramt: Gorillas“

  1. Avatar von Michael

    Ha, ein sehr unterhaltsamer Beitrag, liebe Nadine. Und ein sehr schönes Beispiel für ein zwar naive aber irgendwie liebenswerte Spielidee: Gorillas bewerfen sich mit Bananen, obwohl sie im wirklichen Leben eigentlich gar keine fressen. Aber klar, genau deshalb bewerfen sie sich ja auch damit! Einfach Klasse 😉

    NadineTobi
    1. Avatar von Nadine

      Danke für deinen Kommentar, lieber Michael. 🙂
      Die simpelsten Ideen sind ja oftmals die besten. Und wer nimmt das mit Gorillas und Bananen schon so genau? 😉 😀

      Tobi
  2. Avatar von Dennis Gerecke

    Ein sehr klassisches Spiel. Ich vermisse ehrlich gesagt die nächste Innovation im Artillery-Genre. Worms hat damals für viel Unterhaltung gesorgt. Eine Dynamitkstange den kontrahenten vor die Füße zu packen kann aber dauerhaft keine euphorie in mir auslösen, noch für spielerischen Tiefgang sorgen.

    NadineTobiAndré Eymann
    1. Avatar von André Eymann

      Ich befürchte, dass das Artillery-Genre nicht unbedingt für Innovationen geschaffen ist. Auch würde ich von Spielen dieser Art eher einen geringen spielerischen Tiefgang erwarten. Im Fall von Gorillas beispielsweise geht es ja im wesentlichen um sachliche Physik, die dennoch eine Menge Spaß machen kann. Das Fundament ist doch bei Spielen dieser Art die soziale Komponente, oder? Ohne den menschlichen Gegner macht es hier nur halb so viel Freude.

      NadineTobi
    2. Avatar von Nadine

      Danke für den Kommentar. 🙂
      Wie André in seinem Kommentar zu dir ja auch schon anmerkte, denke ich auch, dass es vor allem das Zusammenspiel (oder Gegeneinander-Spiel) zweier (oder im Falle von Worms auch mehrerer) realer Personen ist, die hier den Spielspaß ausmachen. Ich weiß nicht, ob ich viel oder langanhaltende Freude daran gehabt hätte, nur gegen den Computer anzutreten.

      Tobi
  3. Avatar von Tobi

    Hey, das kenne ich sogar auch noch (vermutlich von einem meiner PC-Kumpels damals, bei denen ich zu Besuch war). Danke Nadine, für deinen knackigen und sympatischen Beitrag!

    Nadine
    1. Avatar von Nadine

      Danke für deinen Kommentar, Tobi! 🙂
      Es ist irgendwie lustig, wie viele Menschen vorbeischneien und ein Spiel kennen, das ich damals als Kind mal gespielt (und aus irgendwelchen Gründen in Erinnerung behalten) habe. Für mich ist das tatsächlich immer wieder ein etwas erstaunliches Phänomen. Vermutlich, weil die meisten meiner Freund*innen diese Spiele nicht kannten. Ich habe Videospiele ja hauptsächlich über meinen älteren Bruder kennen gelernt. Die drei Jahre haben scheinbar einen erstaunlichen Unterschied ausgemacht. 😀

      Tobi
  4. Avatar von André Eymann

    Schöner Beitrag! Ich bin direkt in die „guten alten DOS-Zeiten“ zurückversetzt worden. Zwar kenne ich „Gorillas“ nicht aus eigener Erfahrung, aber trotzdem kann ich mich gut in Deinen Text einfühlen. Als Jahrgang 1971 habe ich den kompletten Aufstieg der PC-Industrie miterlebt und natürlich auch (fast) jede DOS-Version begleitet. Auch habe ich selbst Programme in QBasic geschrieben und viele schöne Erinnerungen daran.

    Als ich Deine Beschreibung zu Gorillas las, erinnerte sie mich spontan an das Spielprinzip von Artillery Duel auf dem C64. Artillery Duel wurde ursprünglich in Astro BASIC, geschrieben und erschien 1982, also etwas früher als das hier besprochene Spiel. Auch hier musste man mit Parametern arbeiten und die Gesetze der Physik und Mathematik berücksichtigen.

    Was mich fasziniert: Spiele wir Gorilla oder auch Artillery Duel basieren prinzipiell auf dem Urspiel PONG. Denn wie auch bei PONG kennt das Spielprinzip zwei Spieler (die links und rechts angeordnet sind) und ein Objekt, das zwischen diesen Spielern bewegt und auf das reagiert wird.

    Lass mich zuletzt anmerken: ich kann von Deinen luftigen und dennoch punktgenauen Beiträgen einfach nicht genug bekommen. Wundervoll geschrieben und gleichwohl inhaltlich so dicht!

    NadineTobi
    1. Avatar von Nadine

      Danke für deinen Kommentar, André. 🙂

      Hier wird auf für mich faszinierende Weise mal wieder deutlich, welchen Unterschied das Alter machen kann. Da ich erst gute 18 Jahre nach dir geboren wurde, hab ich den von dir zitierten Aufstieg der PC-Industrie eigentlich nur am Rande mitbekommen. Oder vielleicht nicht einmal am Rande, sondern erst in der Retrospektive verstanden. 😀
      Ich habe keine DOS-Version „begleitet“, all mein Wissen ist irgendwie eher second hand – und programmiert habe ich in QBasic schon mal gar nichts, sondern erst in meiner Recherche zu diesem Beitrag gelernt, dass es existiert(e).
      Ich weiß gar nicht genau, wie ich das beschreiben soll, aber es ist interessant und faszinierend. Für mich ist vieles davon vage Kindheitserinnerung ohne Hintergrundwissen. Es ist immer spannend und gleichzeitig fast ein bisschen überfordernd (?) das vorhandene Hintergrundwissen anderer zu lesen. Manchmal fühle ich mich gar wie eine Hochstaplerin. 😀

      Lass mich zuletzt anmerken: ich kann von Deinen luftigen und dennoch punktgenauen Beiträgen einfach nicht genug bekommen.

      Und ganz besonderen Dank für dieses schöne Kompliment! ^^

      Tobi
  5. Avatar von Florian Auer

    Ach das ist ja ein cooler Text. Mit Gorillas verbinde ich tolle Erinnerungen – nicht nur das Spielen, sondern eben auch das rumdrehen im Editor. Verändern der Farben, Hinzufügen eines Intros, und natürlich das rumspielen an Speed und Velocity-Werten, die dafür Sorgen dass man seine Gegner wegnuken kann 😀

    André EymannTobiNadine
    1. Avatar von Nadine

      Lieben Dank für deinen Kommentar! 🙂

      Ich muss zugeben, ich habe meist nur gespielt und wenig daran rumgebastelt. Aber so oder so hat es eine Menge Freude bereitet. ^^

      Das Intro hätte ich ja gerne mal gesehen! 😀

      André EymannTobi
      1. Avatar von Florian Auer

        Ich hätt jetzt sogar geschaut, aber ich habe das Intro tatsächlich nicht mehr, obwohl ich noch viel Quatsch aus meiner Q(uick)Basic Zeit da hab, unter anderem rundenbasierte RPG Kämpfe 😀

        NadineTobi