Videospiele als Brettspiel: Pole Position – Vollgas im Rennspielzirkus

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Wem klingt nicht mehr der Satz „Prepare to qualify“ des Arcade-Automaten in den Ohren und denkt nicht gleichzeitig an den vorbeifliegenden, den kurz bevorstehenden Start ankündigenden, Zeppelin?!

Schweiß an den am Lenkrad festgekrallten Handflächen… gleich geht es los! 3… 2… 1… Kein Zweifel: Pole Position zählt sicher zu den bekanntesten und besten Autorennspielen der Videospielgeschichte. 1982 war es, als Namco diesen Knaller in die Spielhallen brachte. In den USA wurde die Lizenz von Atari eingekauft und ein Jahr später, also 1983, für diverse Videospielkonsolen auf den Markt gebracht.

Start Your Engines!

So enstanden im Laufe der Zeit Versionen für Atari VCS 2600, 5200, 7800, Atari XE, Intellivision, Vectrex, TI-99/4a, Game Boy, Nintendo 64, SNES, C64, VC 20 usw.

Die Automatenversion von Pole Position war sehr farbenfroh. (Bild: Namco)
Die Automatenversion von Pole Position war sehr farbenfroh. (Bild: Namco)
Steig ein: der Arcadeautomat von 1982. (Bild: Namco)
Steig ein: der Arcadeautomat von 1982. (Bild: Namco)

Ziel des Spiels ist es, nach bestandener Qualifikation (eine Runde in vorgegebener Zeit zu absolvieren), Unfälle zu vermeiden (die mit herrlicher Pixel-Grafik-Explosion dargestellt werden), um rechtzeitig ins Ziel zu gelangen und weitere Runden fahren zu dürfen.

Die Grafik, der Sound und vor allem der Aufbau des Automaten selber – in der Variante zum Sitzen – brachten Millionen von Videospielfans dazu, mindestens ebenso viele Geldstücke eben dort hineinzuwerfen. Die Sitzvariante des Automatens verfügte übrigens über ein Gas- und ein Bremspedal. Hier fühlte man sich, dank der realistischen Ausstattung der Maschine, fast wie auf der echten Rennstrecke und mochte gar nicht mehr aussteigen.

Schreibfehler auf dem VCS 2600 Modul. (Bild: Namco)
Schreibfehler auf dem VCS 2600 Modul. (Bild: Namco)

Kleine Raritäten am Rande: bei einer kleinen Neuauflage der sehr erfolgreich verkauften VCS 2600 Version, wurde das Modul mit einem Rechtschreibfehler (!) ausgeliefert. „Pole Positn“ – es fehlten gleich zwei Buchstaben! Außerdem erhielt Pole Position 1983 den Arcade Award Coin-Op Game of the Year. Laut Wikipedia gilt Pole Position als eines der wichtigsten Videorennspiele, die jemals entwickelt wurden.

Rennspaß auf dem Brett

Das Brettspiel, konzipiert für 2-4 Spieler, hat zwar nicht mehr viel gemeinsam mit dem Videospiel-Vorbild. Wie könnte es auch die quietschenden Reifen in einer engen Kurve oder den Crash mit einem Kontrahenten umsetzen?! Geht nicht! Der Originalitätsfaktor gegenüber des Arcade-Klassikers ist entsprechend gering, was nicht bedeutet, dass es diesem Brettspiel am Spaßfaktor mangelt…

Verpackung des Pole Position Brettspiels. (Bild: Parker Brothers)
Verpackung des Pole Position Brettspiels. (Bild: Parker Brothers)

Auf einem in Setzfelder aufgeteilten Kurs mit drei engen und zwei weiten Kurven gilt es, wie könnte es auch anders sein, als erster vom Start ins Ziel zu gelangen. Bis zu vier verschiedenfarbige Boliden können an dem Rennen teilnehmen. Mindestens zwei sollten es aber schon sein. Das Qualifying erfolgt hier, anders als im echten Formel-Eins Zirkus, recht unspektakulär durch Ziehen einer der Teilnehmer-Chips. Nachdem klar ist, wer welche Startnummer (und Farbe) hat, bekommt jeder Spieler 6 Spielkarten, die er in den nächsten 6 Spielzügen ausspielen kann. Einen Würfel sucht man in diesem Spiel vergebens! 

Das Brettspiel zu Pole Position. (Bild: Michael Braun)
Das Brettspiel zu Pole Position. (Bild: Michael Braun)

Die Karten erlauben dem Spieler, unterschiedliche Spielzüge durchzuführen. Es gibt drei Karten die ausschließlich der Vorwärtsbewegung dienen. Eine Karte erlaubt es dem Spieler einen anonymen Mitfahrer (Rookie) frei auf dem Spielfeld zu positionieren und anschließend zwei Felder vorwärts zu ziehen. Zwei Karten dienen dazu, eine der beweglichen (!) Fahrbahnen zu verschieben und vorher/nachher zwei Felder vorzurücken.

Typische Spielkarten. (Bild: Parker Brothers)
Typische Spielkarten. (Bild: Parker Brothers)

Durch das Positionieren des Rookies und dem Verschieben der Fahrbahnen (wie gesagt: der Originalitätsfaktor lässt hier sehr zu wünschen übrig) kann man dem Gegner so manch ein Schnippchen schlagen und sich selbst gleichermaßen einen schönen Vorteil verschaffen. Mal müssen die Gegner aufgrund des Rookies einen Umweg fahren oder müssen gar auf ihrer Position verharren. Mal verschafft einem das Verschieben der Fahrbahn den Vorteil, eine Kurve enger, also mit weniger Spielfeldern, nehmen zu können. Dem Gegenspieler bleibt dann keine Wahl: er muss die Kurve mit mehr Spielfeldern nehmen.

Den ganze Reiz des Spiels macht aber aus, dass jeder Spieler vorab festlegen muss, wie er seine Karten ausspielen möchte. Erst nachdem alle Spiele jede einzelne Karte des eigenen Stapels nach und nach reihum umgedreht haben, kann jeder wieder seine Karten unter strategischen Gesichtspunkten neu sortieren und auf mehr Glück in der nächsten Runde hoffen. 

Dies führt natürlich dazu, nicht nur nach seiner eigenen aktuellen Position die Karten für die nächste Runde zu sortieren, sondern auch dazu, zu spekulieren, was wohl die Gegenspieler als nächstes vorhaben und was eben diese erwarten, wie man selbst seine eigenen Karten angeordnet hat… ganz schön kniffelig. Je mehr Spieler an dem Rennen teilnehmen, desto mehr Spekulationen und Abwägungen winden sich durch das Brettspiel-Gehirn das macht Spaß und fordert jedes Mal wieder zu einer neuen Partie heraus.

Fazit

Ein Brettspiel-Bolide. (Bild: Parker Brothers)
Ein Brettspiel-Bolide. (Bild: Parker Brothers)

Im Grunde haben alle Mitspieler die gleichen Chancen. Egal von welcher Position sie starten. Spieler mit niedriger Startposition haben den Vorteil, auf den drei Karten für die ausschließliche Vorwärtsbewegung insgesamt mehr Felder vorrücken zu können, was den, auf den ersten Blick, ungerecht wirkenden Vorteil der vorplatzierten Spieler absolut ausgleicht.

Insgesamt ist Pole Positionein interessantes Brettspiel, welches auch nach mehreren Partien nicht schnell an Reiz verliert. Auch wenn das Spiel leider nur außerhalb Deutschlands erschienen ist, empfehle ich den Kauf. Wird allerdings versandtechnisch recht teuer.

Überarbeitete Originalfassung aus dem April 2004.

Herzlichen Dank an René Achter von für das Aufmacherbild zum Beitrag!

TobiLenny

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7 Antworten zu „Videospiele als Brettspiel: Pole Position – Vollgas im Rennspielzirkus“

  1. Avatar von Paul Hartmann
    Paul Hartmann

    Hallo Michael, danke für deinen tollen und interessanten Beitrag.

    Pole Position, war für mich der erste Arcade Automat mit Cabinet zum Hineinsetzen und durch Lenkrad und Pedale etwas ganz Besonderes. Er war aber Anfangs immer dicht umlagert und es brauchte eine Menge Geduld um in der gebildeten Schlange vorzurücken, so etwas hatte ich bei keinen anderen Automat erlebt.

    Er kostete auch als erster 2 DM anstelle von 1 DM und durch das ungewohnte und schwierige Qualifying war man nach 90 Sekunden schon draußen. Man suchte daher einen Kumpel und investierte eine 5 DM Münze, mit der man immerhin 6x fahren konnte und endlich nach erfolgreicher Qualifikation am Rennen teilnehmen und sich hoffentlich in einer schier endlosen Highscore Liste eintragen durfte.

    Das von dir so schön beschriebene Brettspiel habe ich leider nie kennengelernt, aber es wäre für mich ein sofortiger Kaufkandidat gewesen 🙂

    Heute fahre ich immer noch gerne ein paar Runden Pole Position, vorzugsweise auf dem Atari 7800, N64 oder als Arcade Simulation.

    Die Version auf dem SNES ist mir allerdings unbekannt.

    In diesem Sinne… prepare to race!

    Michael Braun
    1. Avatar von Michael Braun

      Hallo Paul!
      Pole Position ist mir selbst auch in guter Erinnerung geblieben. Arcade-Automaten hatten bis Mitte der 1980er Jahre einen hohen Stellenwert. Warteten sie doch mit einer deutlich besseren Grafik auf, als es seinerzeit auf den Spielkonsolen möglich war. In meiner Heimatstadt gab es eine einzige Spielhalle, in der es, im Gegensatz zu heute, kaum Geldgewinnspiel-Automaten gab, sondern hauptsächlich Arcade-Automaten. Und tatsächlich hatte diese Spielhalle dort den Pole Position Automaten (die Version zum Hineinsetzen) stehen. Mangels Taschengeld habe ich den aber nur wenige Male gespielt. War auch als Anfänger echt schwierig das Qualify zu überstehen… Habe mehr zugesehen, oder einfach nur den Attract-Modus angesehen. Tolle Grafik und Sound. Da konnte das Atari 2600 nicht mithalten….
      Das Brettspiel ist, verglichen mit anderen mit Videospielbezug aus der Ära, vergleichsweise gut!
      Ist aber wohl nie in Deutschland erschienen, wie einige andere Brettspiele des Genres. Wahrscheinlich kanntest du es daher (bisher) nicht.

      Die SNES-Version gibt es tatsächlich nicht. Hatte ich wohl fälschlicherweise vermutet, weil es das Spiel „F1 Pole Position“ gibt, was aber mit dem ursprünglichen Spiel nichts am Hut hat, außer dass es auch um Autorennen geht.

      Danke für deinen Kommentar!

  2. Avatar von Onda
    Onda

    Was PAC-MAN betrifft, da finde ich die neue (so ca. 2012) Brettspielumsetzung namens „Whacky Wit“ ganz gut. Interessanteres Gameplay als das Pac-Man-Brettspiel und sehr coole Materialien (Holz, Magnete). Leider ist es nicht ganz billig, aber wenn ihr mal die Gelegenheit (Spielemesse, Spieletage etc.) habt, solltet ihr auf jeden Fall einmal spielen!

  3. Avatar von Sterni
    Sterni

    Also zu den Brettespielen, die ein Computerspiel als Vorlage hatten, fällt mir auf die Schnelle PAC-MAN ein. Ein Freund hatte dieses Brettspiel, was mich aber nicht sonderlich reizte. Ich war mehr am Videospiel interessiert. Leider waren nicht alle Umsetzungen von Videospiele in Brettspiele gut. Aber wenn Filme als Videospiel umgesetzt werden, geht das auch nach hinten los. Das einzige Spiel, das gut umgesetzt wurde war The Goonies. Gremlins war noch ok. Aber wenn ich an E.T. denke, fallen mir die Haare aus.

  4. Avatar von Firebird
    Firebird

    Haha, schöner Artikel, aber wenn man schon ein Wort mit Rechtschreibfehler abtippt, sollte man nicht noch einen zusätzlichen einbauen. 😉

    „Pole Potitn“ -> „Pole Positn“

  5. Avatar von game_boy
    game_boy

    Es gibt übrigens noch ein weiteres Brettspiel mit dem Namen „Pole Position“. Es ist 1989 von Gerhard Kodys über den Piatnik-Verlag veröffentlicht worden. Leider kenne ich dieses Spiel aber nicht. Laut dem Internet kam es sogar in die Auswahlliste für das Spiel des Jahres 89. Weiss jemand mehr darüber?

  6. Avatar von Torsten Othmer

    Ja, eines der wenigen guten Videospiel-Lizenz Brettspiele der 80er Jahre. Ich habe es selber schon einige Male mit meinen Kindern gespielt. Kann es also ebenfalls mit guten Gewissen weiter empfehlen.

    Liebe Grüße Torsten