„Zu Heimcomputern passen Magazine wie die Floppy in den Laufwerksschlitz“ – Interview mit Boris Kretzinger (Kilobyte Magazine)

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Vielen Retrocomputing-Liebhabern ist der Name Boris Kretzinger geläufig. Insbesondere die Commodore-Gemeinde kennt ihn durch Bücher wie „Commodore – Aufstieg und Fall eines Computerriesen“ oder „Volkscomputer“.

Schon lange interessiert sich Boris für klassische Computertechnik und kooperierte im Laufe der Zeit mit dem Gameplan-Verlag von Winnie Forster oder dem CSW-Verlag von Enno Coners. Darüber hinaus hat Boris aber immer auch die Community unterstützt und ist stets selbst ein Teil dieser geblieben. Dabei entwickelten sich vielfältige Projekte und Beteiligungen. Im Jahr 2005 gründete Boris „cevi-aktuell“, ein monatliches PDF-Magazin über den C64. Von 2009-2012 war er leitender Redakteur des nachfolgenden Printmagazins RETURN, dessen Mitgründer er ist. Im Februar 2015 erschien sein erster Roman, Nerdvana.

Seit 2016 gibt Boris das „Kilobyte Magazine“ heraus, welches kostenlos als PDF heruntergeladen werden kann. Das englischsprachige „Kilobyte“ richtet sich an Freunde von 8bit-Rechnern und Konsolen. Möglicherweise ist das Magazin aber hierzulande nicht jedem bekannt.

Deshalb habe ich Boris im Spätsommer 2018 getroffen, um ein wenig hinter die Kulissen des Magazins zu schauen.

Interview

Das Interview wurde am 6. Oktober 2018 geführt

Hallo Boris! Kannst Du für uns nachzeichnen, wie er zur Geburt Deines „Kilobyte Magazine“ kam und welche Ziele Du mit dem Projekt hast?

Boris Kretzinger hat das Kilobyte Magazine 2016 gegründet. (Bild: B. Kretzinger)
Boris Kretzinger hat das Kilobyte Magazine 2016 gegründet. (Bild: B. Kretzinger)

Nach meinem Ausstieg bei der RETURN hatte ich nach einigen Jahren einfach mal wieder Lust auf ein eigenes Magazinprojekt. Ich wollte nicht nur in Foren über spannende neue Projekte für alte Hardware zu lesen, sondern mehr über die Hintergründe und die Leute erfahren, die sich damit beschäftigen.

Dann erhält man Zugang zu dem, was für mich bis heute mit dem Hobby rund um alte Computer und Konsolen zusammenhängt: die Begeisterung, auf diesen Kisten noch immer etwas zaubern zu können, über dass sich viele Nutzer irgendwo auf der Welt nach wie vor freuen oder auch staunen. Eine Mischung aus Nostalgie verbunden mit einer eigentümlichen Art von Pioniergeist.

Was treibt die Leute an? Warum haben sie genau diese Hardware oder Software entwickelt? Und warum beschäftigen Sie sich heute überhaupt noch damit? Davon lasse ich mich anstecken und versuche, diesen Enthusiasmus in mein Magazin einfließen zu lassen. Für mich ist das ein Weg, der Community etwas zurück zu geben. Und vielleicht erreiche ich damit auch Leute, die sich nicht im Orbit der 8bit-Szene bewegen und sich wieder für ihre alten Geräte interessieren. Immerhin passiert so viel, nicht nur rund um den C64, sondern auch im Bereich Atari, Spectrum und Co, dass man sich manchmal schon fragt, wie man bei all den Releases überhaupt noch auf dem Laufenden bleiben soll.

Warum ausgerechnet ein PDF-Magazin?

Was ist ikonischer als eine Diskette, wenn man über 8bit Computer spricht? (Bild: Boris Kretzinger)
Was ist ikonischer als eine Diskette, wenn man über 8bit Computer spricht? (Bild: Boris Kretzinger)

Zu Heimcomputern passen Magazine wie die Floppy in den Laufwerksschlitz. Aber Printmagazine gibt es schon genug, sie unterliegen einem gewissen Veröffentlichungszwang, kosten Geld und nehmen Platz im heimischen Regal weg.

Zu meiner Idee passte das nicht, darum habe ich mich für ein PDF-Magazin entschieden, das sich vom Format und der Aufmachung an den uns bekannten, alten Mags orientiert, also einen gewissen 80er-Charme versprüht, ohne altbacken zu wirken. Die Auswahl der passenden Fonts, die Seitenaufmachung und das Logo haben mich einige Wochen beschäftigt, bevor ich auch nur den ersten Beitrag recherhiert habe. Das hat mich dann zugleich auch motiviert, das Ding durchzuziehen.

Wichtig war mir von Anfang an, dass es kostenlos verfügbar ist. So war es damals bei der cevi-aktuell auch. In gewisser Weise ist das Projekt für mich also eine Art Rückkehr in eine mir vertraute Wohlfühlzone. Ich kann mein Ding durchziehen und niemand quatscht mir rein. Und ich kann das meiste selbst machen: Redaktion, Layout, Social Media.

Und was macht das „Kilobyte Magazine“ aus Deiner Sicht so anders?

Ich konzentriere mich im Mag überwiegend auf aktuelle Hard- und Software für 8bit Rechner und Konsolen. Da gibt es keine Evergreens oder den zwanzigsten Artikel über Super Mario Bros. Das sind Themen, die ich oft auch in Retromagazinen überblättere, weil sie in der Regel kaum Mehrwert für mich bieten. Wenn der Blick schon in die Vergangenheit geht, dann idealerweise auf solche Dinge, die noch nicht komplett ausgelutscht sind: eine Story über die Firma Games by Apollo etwa, die mit ihren Spielen für den Atari 2600 Activision links liegen lassen wollten und es innerhalb eines Jahres vom aufstrebenden Stern am Games-Himmel zur Pleite und ultimativen Bedeutungslosigkeit geschafft haben.

Oder über den Aufbau einer Floppy Disk, die Chance, so ein Teil perspektivisch im 3D-Druckverfahren herzustellen und warum ein Unternehmen in den USA noch heute Floppy Disks an- und verkauft. Es gibt viele Themen, bei denen sich auch eine Brücke zu aktuellen Entwicklungen schlagen lässt, zum Beispiel bei KI. Oder auch Hintergrundstorys, die einfach noch nicht erzählt worden sind.

Das virtuelle Regal von KiloByte auf der Webseite retro.wtf. (Bild: Boris Kretzinger)
Das virtuelle Regal von Kilobyte auf der Webseite retro.wtf. (Bild: Boris Kretzinger)

Eine weitere Besonderheit ist, dass das Magazin bis vor kurzem keinen festen Hafen hatte, also keine eigene Webseite. Auf issuu und Google Drive abgelegt, trommle ich bei Erscheinen jeder Ausgabe über die Sozialen Medien mit eigenen Kanälen auf Facebook und Twitter. Das funktioniert gut, aber der gute Senad Palic hat mich auf dem #VSG18 davon überzeugt, dass es eben doch Sinn macht, eine kleine feste Anlaufstation zu haben. Besonders dann, wenn Leute nach dem Lesen einer neuen Ausgabe eine alte suchten. Denn um den passenden Link zu finden, mussten sie bisher die Facebook-Posts durchstöbern. Darum hat das Magazin also seit kurzem ein eigenes, virtuelles Regal auf seiner Webseite retro.wtf.

Kommt das bei den Lesern an?

Ja, damit habe ich einen Nerv getroffen. Insgesamt kommt das Magazin gut an und wird, soweit sich das eben zum Beispiel über die Plattform issuu nachverfolgen lässt, innerhalb eines Monats bereits eintausend Mal gelesen. Nicht nur in Europa, sondern auch in den USA und Australien klicken Menschen das Magazin an – da staune ich immer wieder. Manchmal melden sich auch Leser und bieten ihre Hilfe an, zum Beispiel bei Beiträgen oder für das Lektorat.

So sieht die Ausgabe 2/2018 des Kilobyte Magazins aus. (Bild: Boris Kretzinger)
So sieht die Ausgabe 2/2018 des Kilobyte Magazine aus. (Bild: Boris Kretzinger)

Und wie geht es weiter mit dem Magazin? Welche Pläne hast Du?

Im Moment bin ich voll ausgelastet damit, pro Jahr drei Hefte herauszubringen: Im Frühjahr, Sommer und Winter. Hin und wieder bekomme ich Anfragen, ob denn nicht auch eine Version auf Deutsch geplant sei. Aber es bleibt bei Englisch. Zum einen, weil eine Übersetzung einen Mehraufwand bedeuten würde, und zum anderen, weil ich mit dem Mag auf ein internationales Publikum ziele und in der Statistik sehe, dass sich trotz der vermeintlichen Sprachbarriere viele Deutsche Leser nicht abschrecken lassen.

Gedruckt wird es das Magazin ebenfalls nicht geben, auch dazu hatte ich schon Anfragen. Diesen Schritt habe ich damals von der cevi-aktuell zu RETURN begleitet und möchte aus den oben genannten Gründen beim PDF-Format bleiben. Was ich mir aber gut vorstellen kann, sind Sonderhefte. Da habe ich schon so einige Ideen, aber noch nicht genug Zeit, um sie auch umzusetzen. Vielleicht ja im nächsten Jahr. Ansonsten freue ich mich jedes Mal, wenn ich wieder eine Ausgabe mit 40 bis 50 Seiten produzieren kann.

Vielen Dank Boris und weiterhin viel Erfolg mit Deinem Magazin!

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